Vier Wochen hat die grün-rote Koalition in
Stuttgart gebraucht, um aus dem Nullverschuldungsvorstoß von
SPD-Finanzminister Nils Schmid Regierungslinie zu machen. Das lag
nicht am jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur
Altersdiskriminierung von Beamten, das offiziell als Begründung
herhalten muss. Zwar verfügt Nils Schmid nach dem Richterspruch der
vergangenen Woche über 400 Millionen Euro Zusatzpuffer. Doch auch
ohne wäre die Entscheidung wenig anders ausgefallen. Tatsächlich hat
es lang gedauert, den Groll der Grünen über Schmids Alleingang zu
besänftigen. Nun kann der Juniorpartner in der Koalition wieder
punkten: Denn die Regierung geht in Sachen Konsolidierung sogar
weiter als Schmid vor vier Wochen. Der lange glanzlose und als
„kleiner Nils“ verspottete Finanzminister tritt als Konsolidierer
erneut aus dem großen Schatten des populären Ministerpräsidenten
Kretschmann, dessen Amt er 2016 übernehmen möchte. Der SPD-Chef hat
seinen finanzpolitischen Trumpf lange zurückgehalten. Dabei entsprach
die Dauerklage aus dem Finanzministerium zuletzt immer weniger der
Haushaltsrealität, und das hat zu großen Teilen wenig mit der
Regierung zu tun: Hohe Steuererträge bei mickrigen Schuldzinsen
füllen seit Langem zuverlässig Schmids Kassen. Und die aktuell
größten Haushaltsrisiken liegen außerhalb des Landes. Die Krisen im
Nahen Osten und der Ukraine könnten die Flüchtlingszahlen hochtreiben
und die heimische Wirtschaft beuteln. Die größte politische Gefahr
für Schmid liegt indessen viel näher: Viele Grüne verlässt der
Langmut mit dem roten Koalitionspartner. Anfangs konnten sie sich
mitfreuen, wenn die zuvor arg gerupften Sozialdemokraten einen Punkt
machten. Doch Schmids Schuldencoup empfinden viele als Foul unter
Freunden. Man will ja gönnen können, doch bitte zulasten von CDU und
FDP, nicht auf Kosten der Grünen. Der Finanzminister muss sich auf
Gegenwind einstellen – aus der eigenen Koalition heraus.
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