Nach der Urteilsverkündung hat die norwegische
Zeitung Aftenposten am Freitag auf ihrer Internetseite nach dem Wort
gefragt, das am besten zur Gefühlslage der Leser passe. Eine
deutliche Mehrheit klickte „erleichtert“ an. Es bleibt im
Spekulativen, worüber die Menschen erleichtert sind, was dieses
Gefühl der Erleichterung ausgelöst hat. Man muss den Norwegern und
ihrer Justiz aber attestieren, dass sie den Alptraum dieses
Massenmords in einer rechtsstaatlich und für eine freie Gesellschaft
vorbildlichen Weise aufgearbeitet und zu einem Abschluss gebracht
haben. Nie wird definitiv geklärt werden können, ob dieser Anders
Behring Breivik eher ein Geisteskranker oder einfach ein abgrundtief
böser Mensch ist. Aber im gesamten Verfahren haben die
Prozessbeteiligten nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er
ein Mensch und kein Monster ist. Ein Mensch, der Monströses
angerichtet hat – aber eben ein Mensch. Diese gelassene Größe, hinter
der das Selbstbewusstsein einer von ihren Grundwerten überzeugten
Gesellschaft steht, hebt dieses Verfahren heraus. Sie stellt einen
Gegenentwurf dar zu den reflexartigen Rufen nach Rache und
Todesstrafe, die in anderen, ebenfalls freien Gesellschaften, nach
vergleichbaren Untaten in unschöner Regelmäßigkeit zu vernehmen sind.
Man kann aus dem Verfahren eine generelle Handlungsempfehlung für den
Umgang mit dem Phänomen Terrorismus ableiten. Sie lautet: Strikte
Rechtsstaatlichkeit gerade dann, wenn Unfassbares bewältigt werden
muss. Hätten die Amerikaner diesen Grundsatz nach dem 11.September
2001 beherzigt, dann wäre ihnen ihr Dauerproblem Guantánamo erspart
geblieben. Sie würden auch nicht weltweit am Pranger stehen für
Rechtsbrüche, die im „Krieg gegen den Terrorismus“ begangen wurden.
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