Lassen wir die Kirche im Dorf. Wenn Ärzte
streiken sollten, dann werden sie zuvor Notdienstarbeiten
organisieren, damit kein Patient gefährdet wird. Auch Rezepte können
sich Kranke im Vorfeld eines Streiks besorgen. Wir stehen nicht vor
dem totalen Chaos im Gesundheitssystem, sollte ein Mediziner seine
Praxis einen Tag lang dicht machen. Anders als verbeamtete Polizisten
können niedergelassene Ärzte ihre Tätigkeit ruhen lassen, eine
Treuepflicht gegenüber einem Dienstherrn besteht nicht. Ein
Streikaufruf ist deshalb noch lange kein Signal für die Revolution.
Doch was rechtlich möglich ist, muss politisch noch lange kein
guter Schachzug sein. Vielmehr kann man sich auch seinen Ruf völlig
ruinieren. Die Ärzte begründen ihre Forderungen nimmermüde mit dem
Verweis auf die Inflation und sinkende Netto-Einkommen.
Doch was können die Patienten dafür? Sie sind nicht verantwortlich
für die stümperhafte Verteilung der Honorare. Sie zahlen
Rekordbeiträge an die Krankenkassen und müssen im Gegenzug erleben,
dass ärztliche Leistungen gefühlt ständig gekürzt oder eingeschränkt
werden. Die Kassen selber horten Milliarden und verweisen auf
mögliche schlechte Zeiten. Jeder hat also irgendwie und irgendwo
subjektiv recht.
Frustration entsteht aus dem Zusammentreffen von Erwartungshaltung
und Realität. Die Wirklichkeit sieht bei den Medizinern rein
statistisch so aus, dass sie in ihrer Gesamtheit zu den Topverdienern
in Deutschland zählen. Dabei werden aber auch Äpfel mit Birnen
verglichen: Oft wird der Radiologe zitiert, der es innerhalb kurzer
Zeit zum Millionär gebracht hat. Oft wird der Landarzt oder
Kinderarzt erwähnt, der aufgrund hoher Investitionen in die Praxis
nur mühsam seine hohen Schulden abstottern kann. Dies alles mag
richtig sein, es sind aber nicht die Probleme der Kranken. Die Ärzte
haben es in den Verhandlungen selber in der Hand, gerechtfertigte
Vergütungen durchzusetzen. Wenn sie sich dabei zu einfältig
verhalten, dann sollten sie ihre Funktionäre abstrafen – und nicht
die Patienten.
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