Die Liberalen haben schon so oft in den Abgrund
geschaut, dass viele äußerst zuversichtlich sind, auch diesmal zu
überleben. Bayern ist nicht der Bund. Wer jedes Mal, wenn ein
FDP-Politiker das Gestern betonte, einen Euro erhalten hätte, wäre
heute reich.
Die Wähler haben in den letzten 50 Jahren oft genug liberale
Zitterpartien erlebt. Eines aber ist neu: Das Wählerverhalten hat
sich geändert, es gibt weniger Stammwähler, der Wechsel zwischen den
Parteien wird schneller als früher vollzogen, und es gibt immer mehr
Parteien. Damit wächst die Unsicherheit. Hinzu kommt, dass es viele
Wähler und Funktionäre der Union gibt, die lieber mit der SPD
zusammen weiterregieren würden.
Deshalb ist es etwas unverfroren, wenn die FDP mit der Devise „wer
Merkel will, wählt FDP“ wirbt. Schließlich wäre eine Große Koalition
durchaus denkbar, wenn die FDP nicht in den Bundestag käme.
Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, dass dann Rot-Rot-Grün eine
Mehrheit hätte, und die Gefahr, dass sie diese auch nutzen würde.
Auch wenn es stimmt, dass die Uhren im Bund anders als in Bayern
ticken, muss sich die FDP jetzt fragen, was sie auf den letzten
Metern zur Bundestagswahl besser als bisher machen kann. Ein Plakat,
das für Zweitstimmen wirbt, kann nicht die einzige Antwort sein.
Warum die FDP weiter wichtig ist, diese Frage muss sie jenseits aller
Funktionselemente deutlicher als bisher beantworten. Es geht nicht
nur um eine bürgerliche Mehrheit für Deutschland, sondern um die
Werte, für die sie steht, um die liberale Handschrift: Freiheit, auch
Schuldenfreiheit und Freiheit von staatlicher Gängelung, mehr
Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit.
Was die Bürgerrechte angeht, haben die Grünen bereits gut die
Rolle der FDP übernommen. Eine Stimme der Freiheit und der freien
Marktwirtschaft aber gibt es jenseits der FDP nicht. Deshalb sind und
bleiben die Liberalen – gleich ob man sie hasst oder liebt – trotz
aller Fehler eine Bereicherung der deutschen Parteienlandschaft.
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