Schwäbische Zeitung: Unseriöses von Seehofer – Leitartikel

Horst Seehofer ist ein begnadeter Populist.
Dies hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef immer wieder
bewiesen. Im neuen, in Teilen bekannten Wahlprogramm seiner Partei
übertrifft er sich aber selbst. Nehmen wir zum Beispiel die
Windkraft. Hier pocht Seehofer auf den Landschaftsschutz. Dazu hat er
sich schon länger Spezielles überlegt: Die diskutierten 200 Meter
hohen Windräder sollen künftig zwei Kilometer vom nächsten bewohnten
Haus entfernt sein.

Seehofer weiß, warum er diese Forderung stellt: Windkraft ist bei
den Leuten in der Regel nur dann populär, wenn die Anlagen weit weg
sind. Zudem wollen die weiß-blauen Ferienidyllen sowieso ohne diese
„Spargel“ bleiben. Seehofers Konzept würde bedeuten, dass im dicht
besiedelten Bayern fast überhaupt keine Windräder mehr aufgestellt
werden könnten. Die lästigen Nebenaspekte der Energiewende hätten
andere zu bewältigen, in Seehofers Vorstellung wohl vor allem die
Nordsee-Anwohner.

Noch grandioser ist aber der Vorstoß im CSU-Programm, dass
Ausländer künftig Maut auf Deutschlands Autobahnen zahlen sollen.
Damit haben sich Seehofer und sein Team die Luftherrschaft über den
Stammtischen gesichert. Im Goldenen Ochsen oder im Hirschen verlangt
das Volk schon lange das Abkassieren der Fremden. Schließlich würden
die Deutschen im Ausland auch Maut zahlen, heißt es.

Eine Kleinigkeit wird dabei an den Stammtischen jedoch übersehen:
In Italien, Frankreich oder Österreich zahlen die Einheimischen auch.
Dies liegt nicht nur daran, dass der Staat oder die beauftragten
Unternehmen Geld brauchen. Ein weiterer Grund hat mit dem EU-Recht zu
tun: Für die Maut müssen alle blechen – oder keiner. Theoretisch sind
für Inländer Ausgleichszahlungen möglich. Dies wäre jedoch ein
hochkomplexer Vorgang – und somit nur schwer umsetzbar. Seehofer weiß
dies alles. Aber dies ficht ihn offenbar nicht an. Hauptsache, der
Wähler macht sein Kreuz bei der CSU. Seriös ist anders. Aber
Populisten hat dies nie gestört.

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