Dass uns Lebensmittelhersteller ein Pferd für
ein Rind vormachen, ist unangenehm. Nicht wegen des Pferdefleisches
an sich – der Rheinländer schätzt es als Sauerbraten und der Wiener
Würstelstandler verkauft es als Spezialität auch an süddeutsche
Touristen. Es ist vor allem unangenehm, weil sich zeigt: Es gibt gute
Gründe dafür, dass die Verbraucher das Vertrauen in die
Nahrungsmittelindustrie mehr und mehr verlieren. Frostschutzmittel im
Wein, Gammelfleisch, Dioxin-Eier – und nun steht offenbar der nächste
Lebensmittelskandal vor der Tür. Unangenehm, wie gesagt. Unangenehm
wird es aber auch, wenn man Antworten auf die Frage sucht, weshalb
jeder dieser Lebensmittelskandale weder der erste noch der letzte
war. Natürlich steckt hinter den Unverantwortlichkeiten und
Unappetitlichkeiten viel kriminelle Energie. Selbstverständlich
nutzen skrupellose Geschäftemacher die Räume, die ihnen eine
EU-Politik verschafft, in der die Interessen der Wirtschaft mehr
wiegen als die Interessen der Verbraucher. Aber genauso
selbstverständlich sind diese Skandale auch eine unmittelbare Folge
unseres Konsumverhaltens. Mit dem hochwertigen Fleisch der
sprichwörtlich glücklichen Rinder von heimischen Weiden kann der
Appetit der deutschen Verbraucher längst nicht gestillt werden. Ganz
abgesehen davon, dass immer weniger Menschen bereit sind, den
angemessenen Preis dafür zu bezahlen. Der Durchschnittsverbraucher
mag sein Fleisch billig und in großen Mengen. Er kauft es also beim
Discounter, tiefgekühlt und von irgendwo anstatt beim Metzger, frisch
und aus der Region. Hier greift dann die marktwirtschaftliche
Binsenweisheit von der Nachfrage, die das Angebot bestimmt – auch das
unseriöse. Angesichts der wiederkehrenden Skandale an die Moral der
Lebensmittelindustrie zu appellieren, ist nur naiv. Von der Politik
strengere Kontrollen und Regelungen zu verlangen, ist sicher legitim.
Das eigene Verhalten zu hinterfragen und gegebenenfalls zu einem
bewussteren Fleischkonsum zu gelangen, ist perspektivisch aber gewiss
am effektivsten.
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