Wenn der Fraktionschef einer Regierungspartei
von „Kakophonie“ im Lager des anderen Partners spricht, dann ist das
starker Tobak. Claus Schmiedel hat es für die SPD des Stuttgarter
Landtags getan. Ihn nervt die aus den Fugen geratene Diskussion um
die Reform des Bildungsplans gewaltig. Indirekt unterstellt er, die
Grünen wollten die Verantwortung einseitig bei Schmiedels
Parteifreund, Kultusminister Andreas Stoch, abladen. Das
Arbeitspapier aus dessen Haus gehört aber wahrlich nicht zu den
vorbildlich formulierten Vorlagen für weitere Debatten. Unschärfen
haben die Gegner auf die Barrikaden gebracht. Sie stören sich heftig
am Begriff der „sexuellen Vielfalt“.
Dabei ist es doch so: Ein Bildungsplan muss regelmäßig
überarbeitet werden. Die Gesellschaft wandelt sich, die Schule muss
den Wandel begleiten. Sie muss Konzepte entwickeln, um Integration zu
fördern, sie muss Konzepte entwickeln, um die Jugendlichen
vorurteilsfrei auch über alternative Formen des Zusammenlebens zu
informieren. Das hat nichts mit Ideologie zu tun.
Nicht der Ansatz, intensiver und fächerübergreifend Toleranz zu
vermitteln, fällt als Schatten auf diesen Teil der grün-roten
Bildungspolitik. Verheerend ist, dass so schludrig formuliert wurde.
Dass es kein Krisenmanagement gab, als der Protest anschwoll. Dass
die einen jetzt Hü und die anderen Hott sagen. Dass Basiswerte für
den Unterricht der nächsten zehn Jahre fast schon wie auf dem Basar
verhandelt werden. Dass Unruhe entstanden ist bei einem hochsensiblen
Thema, das keine Unruhe verträgt. Der Umgang mit Sexualität gehört
dazu.
Der grün-rote Regierungschef Winfried Kretschmann ist jetzt als
Moderator gefordert. Demnächst trifft er dem Thema gegenüber
besonders kritisch eingestellte Kreise, weil er deren Sorgen ernst
nimmt. Das ist seine Pflicht. Ein guter Regierungschef muss mäßigen,
wenn Dinge aus dem Ruder laufen. Aber er will nicht einknicken. Auch
dafür gibt es gute Gründe. Die Schule kann sich trotz des
Erziehungsvorbehalts der Eltern vom Alltag nicht abwenden.
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