Seehofer agiert beliebig – Die Position der SPD ist klar

Zur 180-Grad-Wende des bayerischen Ministerpraesidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer in der Wehrpflichtfrage und zur heutigen Beratung eines Positionspapiers der SPD-Bundestagsfraktion zur Zukunft von Wehr- und Zivildienst, erklaeren die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler und Dagmar Ziegler:

Mit immer neuen und unausgegorenen Reformideen sorgen die Minister zu Guttenberg und Schroeder seit Wochen unter den jungen Menschen fuer tiefe Verunsicherung. Jetzt hat sich auch CSU-Chef Horst Seehofer erneut in die Debatte eingeschaltet und fuer erhebliche Irritationen gesorgt. Nachdem Seehofer monatelang das Festhalten an der Wehrpflicht zum Markenkern der Union und damit als unantastbares Dogma erklaert hatte, ueberraschte er seine eigene Partei und die Oeffentlichkeit am Wochenende mit der Feststellung, die Wehrpflicht koenne sicherheitspolitisch nicht mehr begruendet werden. Worauf Seehofers neueste Erkenntnis beruht, bleibt sein Geheimnis. Denn eine neue Sicherheitsanalyse seitens der Bundesregierung, die sich grundlegend von bislang gueltigen Analysen unterscheidet, ist nicht bekannt.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung daher auf, die reformpolitische Irrfahrt zu beenden und der Oeffentlichkeit endlich klare und detaillierte Plaene fuer die Reform der Bundeswehr und die Zukunft von Wehr- und Zivildienst vorzulegen. Die SPD hat bereits auf ihrem Hamburger Parteitag
2007 beschlossen, einen freiwilligen Wehrdienst einzufuehren und zugleich die freiwilligen sozialen Dienste zu staerken. Wir begruessen, dass Verteidigungsminister zu Guttenberg sich in Richtung dieses Konzeptes bewegt und fordern von ihm eine rasche Umsetzung dieses Modells, um das mit der Verkuerzung des Wehrdienstes auf sechs Monate angerichtete Chaos innerhalb der Bundeswehr so schnell wie moeglich zu beenden.

Die anstehenden und notwendigen Reformen des Wehr- und Zivildienstes muessen als Chance fuer eine Staerkung unserer Buergergesellschaft verstanden und genutzt werden. Wir fordern einen konsequenten Ausbau der Freiwilligendienste. Die bislang fuer den Zivildienst verwandten Mittel sind vollstaendig zur Staerkung der Freiwilligendienste einzusetzen. Einen staatlich organisierten „freiwilligen Zivildienst“ oder einen sozialen Pflichtdient lehnen wir ab. Es geht bei dieser Reform auch darum, einen wichtigen Schritt zur Staerkung unserer Buergergesellschaft zu unternehmen. Wir vertrauen auf selbstbestimmte junge Menschen, die freiwillig und aus innerer Ueberzeugung Verantwortung fuer die Gesellschaft uebernehmen.
Die Bereitschaft dazu ist gross.

Zehntausende junge Frauen und Maennern erklaeren sich Jahr fuer Jahr bereit, einen Jugendfreiwilligendienst zu absolvieren und ihre Kraft, ihre Zeit und ihre Kompetenzen in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche einzubringen. Verteidigungsminister zu Guttenberg und Familienministerin Schroeder sind dabei, diese Chance fahrlaessig zu verspielen. Sie behandeln die anstehenden Reformen vor allem als technisch-administrative Aufgabe und beschraenken sich darauf, die Widerstaende innerhalb der Koalition einzudaemmen und kleinzureden. Sie vergeben damit die grosse Chance, die in einem von einer breiten Mehrheit getragenen Struktur- und Paradigmenwechsel hin zur Freiwilligkeit liegt.

Konkret fordern wir, dass sich die Zahl der eingeplanten Freiwilligen am tatsaechlichen Bedarf der Bundeswehr orientiert und Anreize geschaffen und ausgebaut werden, die einen Freiwilligendienst – bei der Bundeswehr oder in einem Jugendfreiwilligendienst – fuer junge Menschen attraktiv machen.

Dazu gehoeren unter anderem

  • Bonusregelungen beim Zugang zu weiterfuehrenden Bildungseinrichtungen (Wartesemester),
  • BAfoeG-Verguenstigungen in Form eines Darlehenserlasses,
  • die Anrechnung von Dienstzeiten auf die Rentenversicherung,
  • verbesserte Lern- und Bildungsangebote im Rahmen des Dienstes sowie die Moeglichkeit, Zusatzqualifikationen zu erwerben,
  • eine bessere Anrechenbarkeit von Dienstzeiten zum Beispiel als Pflichtpraktika und erworbene Zusatzqualifikationen fuer kuenftige Ausbildungen, sowie speziell fuer junge Menschen bei der Bundeswehr
  • die Moeglichkeit des Fuehrerscheinerwerbs waehrend der Dienstzeit bei der Bundeswehr sowie
  • eine Erweiterung der Berufsfoerderungsansprueche fuer Soldatinnen und Soldaten.

Junge Menschen in Deutschland sind bereit, ihren Dienst fuer die Gemeinschaft zu leisten, ob in der Bundeswehr oder in den Freiwilligendiensten. Jetzt ist die Zeit, buergerschaftliches Engagement weiter zu staerken, Mut zu zeigen fuer mehr Verantwortung und Freiwilligkeit. Wir wollen nicht die Debatten von gestern fuehren und wir wollen nicht, dass die Chance zu wegweisenden Reformen im Streit der Koalitionspartner versandet.
Gefragt sind Reformbereitschaft und Entschlusskraft, um unsere Gesellschaft moderner, offener und selbstverantwortlicher zu gestalten. Dafuer stehen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.

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