Gestern Samstag, fand zum fünften
Mal im Kärntner Anteil des Nationalparks Hohe Tauern eine Freilassung
von zwei jungen Bartgeiern statt. Die Wiederansiedelung des
Bartgeiers ist eines der erfolgreichsten Artenschutzprojekte im
Nationalpark Hohe Tauern und ein wichtiger Beitrag für die Vielfalt
der Tierwelt in den Alpen. „Unsere prächtigen Bartgeier sind schon
zum Markenzeichen des Nationalparks Hohe Tauern geworden, ich bin
sehr stolz auf den großen Erfolg dieses Projektes!“, erklärt
Nationalparkreferent Scheuch.
Bevor die beiden als Nestlinge in ihren Horst kamen, wurden
Flügel- und Schwanzfedern an der Unterseite gebleicht, um sie bis zur
ersten Vollmauser nach drei Jahren leicht zu erkennen.
Beide Junggeier stammen aus Andalusien in Spanien. Sie befinden
sich nun in freier Wildbahn und können in ihrem Horst täglich bis
Ende August beobachtet werden. Am Fuß des Freilassungsplatzes wurde
ein betreuter Beobachtungsstand eingerichtet. Jeden Mittwoch (ab 4.
Juli bis 29. August 2012) wird eine geführte Wanderung vom Schareck
ins Fleißtal angeboten. Anmeldungen bis zum Vortag unter 04784/701.
So kann man das Heranwachsen der beiden Jungvögel, die ersten
Flugversuche bis hin zum endgültigen Verlassen des Horstes
miterleben.
Hintergrundinformationen zum Bartgeierprojekt
Der Bartgeier war einst in fast allen Gebirgen Südeuropas und in
den Alpen verbreitet. Wohl kaum ein Greifvogel beeindruckte die
Menschen so nachhaltig, wie zahlreiche Fabeln und Legenden zeigen.
Der friedliche Bartgeier wurde als blutrünstige Bestie dargestellt,
welche sogar vor Kindesraub nicht zurückschreckte. Dem Bartgeier
wurde zu Unrecht auch das Töten von Gämsen und der Raub von Lämmern
zugeschrieben, was auch zu seinem volkstümlichen Namen „Gamsgeier“
und „Lämmergeier“ führte. Die Bezahlung von Fang- und Schussgeldern
führte dazu, dass die Tiere auf jede nur mögliche Art und Weise
verfolgt wurden. Weitere Gründe für den Rückgang und die teilweise
Ausrottung der Bestände waren der Einsatz von Giftködern, der
Abschuss im Auftrag von zoologischen Sammlungen und in einigen
Gebieten ein Versiegen der Nahrungsquellen.
In den Alpen wurde der Bartgeier im Verlaufe des 19. Jahrhunderts
ausgerottet. Am längsten überlebte er noch in den Westalpen, wobei
die letzte nachgewiesene Brut aus dem Jahre 1910 belegt ist. In
Europa überlebten Bartgeier nur in den Pyrenäen, auf Korsika und in
Kreta sowie in wenigen Exemplaren auf dem griechischen Festland. Die
Bestände sind dort überall stark gefährdet.
Nach mühevoller und langwieriger Suche von geeignetem
Zuchtmaterial ist es dem Alpenzoo Innsbruck unter dem damaligen
Direktor Dr. Helmut Pechlaner gelungen, die ersten Bartgeier mit
Hilfe eines Ammenvogels in einer Voliere aufzuziehen. Dieser Erfolg
des Alpenzoos Innsbruck war der Grundstein des Bartgeier-Projektes
und damit ein wesentlicher Beitrag für eines der bedeutendsten
Artenschutzprojekte. Aufgrund regelmäßiger Zuchterfolge konnte dann
1978 mit Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, des
WWF Österreich und Schweiz sowie der IUCN das internationale Projekt
zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen gegründet und die
wichtigsten Richtlinien und Ziele des Projektes festgelegt werden.
Als oberstes Ziel gilt die Etablierung eines ohne menschliche Hilfe
überlebenden Bestandes. Auf Wildfänge wird im Projekt gänzlich
verzichtet, um bestehende Populationen nicht zu gefährden.
Nur Tiere aus zoologischen Gärten und verletzte Tiere aus dem
Freiland, deren Freilassung nicht mehr möglich ist, werden in das
Zuchtprogramm integriert. Für die Freilassung werden ebenfalls nur
in Volieren geborene Jungvögel verwendet. Bis 1986 dauerte der
Aufbau eines Zuchtnetzes unter Beteiligung von rund 30 Tiergärten
und der zentralen Richard Faust Bartgeier-Zuchtstation Haringsee. Es
begann eine enge Kooperation zwischen Naturschutzorganisationen,
Behörden, Universitäten, Nationalparks und Zoos.
Eine internationale Expertenkommission wählte im Alpenraum vier
gleich weit voneinander entfernte Freilassungsorte aus. Nach dieser
Freilandstudie durch Schweizer Wildbiologen wurden erstmals 1986 im
Krumltal/Rauris im Salzburger Anteil des Nationalparks Hohe Tauern
die vier jungen Bartgeier Hans, Fritz, Ellen und Winnie freigelassen,
wobei Winnie wieder eingefangen werden musste. Dieser Freilassung
folgten weitere Freilassungen: seit 1987 in Bargy/Hochsavoyen (F),
seit 1991 im Schweizer Nationalpark, seit 1993 im Nationalpark
Mercantour (F) und im Naturpark Alpi Marittime(I) sowie seit 2000 im
Nationalpark Stilfserjoch (I). Insgesamt wurden bisher 170 Tiere
alpenweit ausgewildert, 53 im Nationalpark Hohe Tauern. Die ersten
Freilassungen erfolgten im Rauriser Krumltal, ab dem Jahr 2000 auch
im Kärntner Seebachtal/Mallnitz, in Osttiroler Innergschlöß, im
Gasteiner Anlauftal, im Habachtal, in Kals und im Bereich
Glocknerstraße in der Gemeinde Rauris.
2001 erfolgte in Heiligenblut die erste Bartgeierbrut in
Österreich, leider ohne Erfolg. Ein weiteres Paar brütete seit 2003
zuerst erfolglos in Gastein, seit 2008 in Rauris.
Am 17. Juli 2010 wurde mit „Kruml“ der erste im Freiland geborene
Bartgeier in Österreich flügge. Einen weiteren Bruterfolg gab es
2011, ebenfalls in Rauris.
Seit 2010 brütet ein zusätzliches Paar in Kärnten. Nach zwei ersten
erfolglosen Brutversuchen sitzt heuer ein inzwischen 3 Monate alter
Jungvogel in seinem Horst. Der erste Kärntner Junggeier seit 1880
wird Ende Juli zu seinem Jungfernflug starten.
Ein äußerst wichtiger Bestandteil des Projektes ist die möglichst
genaue Überwachung der freigelassenen Bartgeier auf ihrem weiteren
Lebensweg. Das verwendete Markierungsmuster ermöglicht es dabei, die
Jungvögel ungefähr drei Jahre lang, bis zur Mauserung eindeutig zu
identifizieren. Um den weiteren Lebensweg der freigelassenen
Bartgeier verfolgen zu können wurde ein begleitendes
wissenschaftliches Monitoring installiert. Dazu wurde im ganzen
Alpenraum ein Netz freiwilliger Beobachter aufgebaut. Nur Dank der
Mitarbeit der lokalen Bevölkerung, von Nationalpark-Mitarbeitern,
Jägern, Ornithologen, Bauern und Touristen können so Bartgeier weiter
kontrolliert werden. Vom Nationalpark Hohe Tauern wird dabei das
Monitoring für ganz Österreich finanziert und darüber hinaus das
internationale Bartgeiermonitoring federführend betreut.
Bartgeiermeldungen bitte an: beobachtung@gmx.net oder
bartgeier@gmx.at bzw. 0664/8203055 bzw. 0664/1417429.
Seit 2009 werden die jungen Bartgeier zusätzlich mit
Satellitensendern überwacht: bis zu 10 Positionen pro Tag ermöglichen
eine punktgenaue Verfolgung der Junggeier. Die aktuellen Reisen
können unter http://www.hohetauern.at/de/bartgeier-online.html
mitverfolgt werden.
Der Bartgeier ist wohl die prächtigste Geierart und ist mit einer
Flügelspannweite bis zu 2,85 Metern unser größter Greifvogel in den
Alpen. Mit dieser großen Flügelspannweite ist er natürlich ein
hervorragender Segler. Bartgeier bewohnen die Gebirgsregionen
vorwiegend oberhalb der Waldgrenze. Sie leben in riesigen Revieren
(100 – 750 km2), die sie gegen Artgenossen verteidigen. Die Horste
werden in Felsnischen angelegt. Die Brutzeit fällt in den Hochwinter.
Zumeist werden 2 Eier im Abstand von 4 bis 5 Tagen in den gut
ausgepolsterten Horst gelegt. Nach einer Brutdauer von ca. 54 Tagen
schlüpfen die beiden Jungen, aufgezogen wird jedoch immer nur eins.
Da das erstgeschlüpfte Junge sich aggressiv gegenüber dem Jüngeren
verhält und es vom Futter verdrängt, stirbt dieses nach kurzer Zeit
(Kainismus). Somit stellt das 2. Ei nur eine biologische Reserve dar,
falls das erste Junge kränklich ist oder nach dem Schlupf stirbt.
Sowohl beim Brüten als auch bei der Aufzucht des Jungen wechseln sich
beide Elternteile ab. Grund für die ungewöhnliche Brutzeit ist das
reichliche Nahrungsangebot in der Zeit der Jungenaufzucht: Im
Frühjahr sind zahlreiche im Winter verendete oder durch Lawinen
umgekommene Wildtiere im schmelzenden Schnee zu finden. Nach etwa 116
Tagen so zwischen Mitte Juni und Mitte Juli startet das
Bartgeierjunge seinen Erstflug. Für einige Wochen wird es von den
Eltern noch weiter mit Futter versorgt.
Bartgeier sind Aasfresser und verwerten vor allem das, was andere
Aasfresser übriglassen. Bis zu 80 % der Nahrung besteht aus Knochen,
Sehnen und Bändern. Knochen erscheinen auf den ersten Blick als wenig
nahrhaft, enthalten aber genau soviel Energie wie Fleisch. Nur
Bartgeier sind durch ihren leistungsstarken
Verdauungsapparat und Magensäfte imstande, die enthaltenen Nährstoffe
auch zu nutzen. Zum Verschlingen dieser sperrigen Beute ist ihr
Schlund besonders dehnbar. Zu große Knochen werden mit den Fängen
hoch in die Luft getragen und auf schräge Felsplatten abgeworfen, auf
der sie zersplittern – deshalb auch der Name „Knochenbrecher“.
Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM /
Originalbild-Service sowie im OTS-Bildarchiv unter
http://bild.ots.at
Rückfragehinweis:
Mag. Peter Rupitsch, Nationalparkdirektor
Tel.: +43 (0) 664 6202 354
Mag. Michael Knollseisen, Bartgeierbetreuer
Tel.: +43 (0) 664 1417429
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/7093/aom
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