Wiesbaden, 8. Oktober. Die beiden
Arthouse-Kino-Tipps der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) für
diese Woche begeistern durch Anspruch, Spannung und brillantes
Schauspiel.
Regisseur Gregor Schnitzler, bekannt geworden durch seine
Romanverfilmungen DIE WOLKE und SOLOALBUM, startet in dieser Woche
mit der Verfilmung von Juli Zehs Erfolgsroman SPIELTRIEB (Start: 10.
Oktober) in den deutschen Kinos. Vor allem die Darstellung der jungen
Michelle Barthel begeistert in diesem außer Kontrolle laufenden Spiel
rund um Liebe, Sex und Verrat, angezettelt von einem jungen Mann, der
wissen will, wie weit man Menschen manipulieren kann. Die Jury sah
die Besetzung der Hauptfigur Ada als „Glücksgriff“ und sieht den Film
als „kongeniale filmische Umsetzung der Vorlage“. Dafür vergab sie
das höchste Prädikat „besonders wertvoll“.
In vielen Kulturen wird die Frau noch immer als minderwertig
angesehen. Ihre Aufgabe ist es, dem Mann zu dienen. Bis zum
Äußersten. Auch die Heldin in STEIN DER GEDULD (Start: 10. Oktober)
nimmt diese Aufgabe als „gottgegeben“ an. Und dennoch nutzt sie die
Chance, als ihr Mann ins Koma fällt, um sich, nur mit Worten, langsam
von den Fesseln der unmenschlichen Regeln der Gesellschaft zu lösen.
Der afghanische Regisseur Atiq Rahimi setzt sich seit Jahren für die
Frauen in seinem Land ein, ob mit seinen Büchern oder seinen Filmen.
Und auch der mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnete
Film STEIN DER GEDULD ist ein Plädoyer für die Emanzipation. Sein
Film entwickelt, so die fünfköpfige Expertenjury, „einen unheimlichen
Sog, der bis zum bitteren, überraschenden Ende anhält. Ein
Kammerspiel mit starken Bildern!“
Prädikatsfilme vom 10. Oktober 2013
Spieltrieb
Spielfilm, Drama, Literaturverfilmung. Deutschland 2013 Filmstart:
10.10.2013
Ada hat mit 15 schon zwei Klassen übersprungen. Sie ist klug,
belesen und in ihrer Klasse der absolute Außenseiter. Keiner kann sie
leiden und auch sie findet die anderen nur langweilig und
oberflächlich. Alles ändert sich jedoch, als Alev in ihr Leben tritt.
Er ist charismatisch, intelligent und irgendwie anders. Schnell
erkennen beide, dass sie Seelenverwandte sind und sie beschließen,
ein Spiel zu beginnen. Ein Spiel um Leidenschaften, um Macht, um
Begehren. Doch bald schon kann Ada die Situation nicht mehr
kontrollieren und ist sich nicht sicher, wer im Spiel ihr wahrer
Gegner ist. Gregor Schnitzler ist mit seiner Verfilmung eine gekonnte
Umsetzung der provokanten und erfolgreichen Vorlage von Juli Zeh
gelungen. Dabei brillieren vor allem die jungen Darsteller in ihren
Rollen. Michelle Barthel verkörpert Ada glaubwürdig als ein junges
Mädchen, das sich selbst erkennen lernen muss, um sich als
eigenständige Persönlichkeit zu begreifen. Und Jannik Schümann
gelingt eine so charismatische und fast schon teuflische Präsenz in
seiner Rolle, dass man glauben und spüren kann, wie leicht es ist,
einem solchen Verführer zu folgen. Doch auch Maximilian Brückner als
Lehrer und Opfer des jugendlichen Spieltriebs sowie Richy Müller als
Adas Mentor überzeugen. Zeitweise wirkt SPIELTRIEB durch seine
genialen kühlen Bilder und seine theaterhaft-literarische Sprache wie
ein perfekt ästhetisierter Videoclip. Doch unter der Oberfläche
brodeln verletzte Gefühle, Ambivalenzen, unbequeme Fragen und vor
allem Adas Sehnsucht nach Liebe, die sie sich lange nicht eingestehen
will. Am Ende ist das Spiel vorbei. Gewinner gibt es nicht. Und doch
hat Ada gesiegt. Eine filmisch anspruchsvolle und kongeniale
Umsetzung eines polarisierenden Stoffes.
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Stein der Geduld
Spielfilm, Drama. Deutschland, Frankreich, Afghanistan 2012
Filmstart: 10.10.2013
Sie sitzt jeden Tag da und wartet, dass er erwacht. Seit Wochen
schon liegt ihr Mann im Koma. Sie pflegt ihn zuhause, ärztliche
Versorgung kann sie sich nicht leisten. Es ist Krieg in Afghanistan
und der Mann war Soldat. Nun muss sie sehen, wie sie und die Kinder
überleben. Und eines Tages beginnt sie zu sprechen. Sie erzählt ihm
alles. Alle Geheimnisse, alle Sorgen und Nöte. Denn zum ersten Mal
kann sie frei reden. Der Stein der Geduld ist ein der persischen
Mythologie entliehenes Bild. Die Sage erzählt von einem Stein, der
sich alle Sorgen eines Menschen anhört, bis er aufgrund der Last am
Jüngsten Tag in tausend Stücke zerbricht. Regisseur und Autor Atiq
Rahimi nutzte die Metapher bereits in seiner gefeierten Buchvorlage,
um einer unterdrückten Frau, die für viele Frauen in diesem
Kulturraum steht, eine Stimme zu geben. Wie in einem Kammerspiel
fängt die Kamera auch hier die wenigen Figuren in engstem Raum
miteinander ein und leitet den Zuschauer durch die Stimme und die
visualisierten Erinnerungen der Hauptdarstellerin Golshifteh
Farahani, die durch ihr faszinierendes und intensives Spiel ein
Schicksal schmerzhaft erlebbar macht. Wie in einem Sog folgt man der
Figur und realisiert nach und nach das ganze Ausmaß der
Unterdrückung, Fremdbestimmung und Unfreiheit, die Frauen in
Afghanistan erleiden müssen. Präzise beobachtet und sorgfältig
arrangiert hat in diesem spärlichen Setting alles seine ganz genaue
Bedeutung, sodass kein Bild zuviel erscheint. Ein wichtiges
filmisches Plädoyer für die Emanzipation.
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