Schweren Herzens“ verkündete Bundeskanzlerin Angela
Merkel am vergangenen Samstag das, was die breite Öffentlichkeit für
unvermeidlich und unabweisbar gehalten hatte: Annette Schavan, erst
vier Tage zuvor von der Düsseldorfer Universität zur Ex-Doktorin
degradiert, ist nun auch Ex-Ministerin. So weit, so gut? Ein Zeichen
der gesunden politischen Kultur unseres Landes, für die öffentliche
Kontrolle seiner Führungselite? Mitnichten. Sondern eher Ausdruck
dafür, wie die Skandalisierung der Politik voranschreitet – und dabei
kaum noch zwischen Lappalie und ernsthaftem Fehlverhalten
unterschieden wird. Niemand wird die mit Vorsatz betriebene
Guttenbergsche Plagiatsvariante mit dem Fall Annette Schavans
vergleichen. War im einen Fall fast kriminelle Energie am Werke, mag
man Schavan vielleicht Unachtsamkeit oder Schludrigkeit unterstellen.
Und dennoch: Der Rücktritt der Ministerin war tatsächlich
unvermeidlich. Doch nicht wegen der 33 Jahre zurückliegenden Fehler
beim Verfassen der Doktorarbeit. Wäre dies tatsächlich der Maßstab,
hätte noch manch anderer Politiker in Deutschland ein Problem. Nein,
die Kanzlerin wurde zum Handeln gezwungen, weil sie sich im Wahljahr
nicht einem Oppositions-Dauerfeuer aussetzen konnte und wollte.
Deshalb der schnelle, klare Schnitt, um sich und Schavan aus der
Schusslinie zu nehmen. Selbst im Fall ihrer politischen Freundin und
engsten Vertrauten folgte Angela Merkel damit den gnadenlosen
Spielregeln des atemlosen Berliner Politik-Betriebs. Die von allen
Parteien bescheinigten Verdienste der Bildungsministerin um den
Wissenschaftsstandort Deutschland spielten bei der Entscheidung keine
Rolle mehr. Ist ein vermeintlicher Skandal – und mag die Beweislage
noch so unklar sein – erst einmal in der Welt, bleibt keine Zeit mehr
für ein ausgewogenes Urteil. Doch gerade bei der Bildungsministerin
hätte genauere Aufklärung stattfinden müssen. Wäre ein zweites
Gutachten zum selben Ergebnis wie die Düsseldorfer Universität
gekommen? Und hätte nicht eine grundsätzliche Diskussion über die
Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens stattfinden müssen? Diese
Fragen muss jetzt ein Gericht klären. Kommt es zum Schluss, dass
Annette Schavan durch die Universität zu Unrecht der Täuschung
bezichtigt wird, mag das für die CDU-Politikerin eine persönliche
Genugtuung sein. Ihre politische Karriere als Ministerin oder in
anderen herausragenden Positionen ist nicht mehr zu retten.
Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218