Grüner Siegeszug
Mit dem Sieg von Fritz Kuhn bei der Oberbürgermeister-Wahl in
Stuttgart geht der grüne Siegeszug im lange tiefschwarzen Südwesten
weiter. Dass die Öko-Partei neben dem ersten Ministerpräsidenten der
Republik nun ebenfalls in Baden-Württemberg den ersten OB einer
Landeshauptstadt stellt, ist kein Zufall, sondern von langer Hand
vorbereitet. Es waren nicht zuletzt Winfried Kretschman und Fritz
Kuhn, die schon in den 1980er Jahren begonnen haben, den
Landesverband vom linken Spektrum in Richtung Mitte der Gesellschaft
zu lotsen, die sich ihrerseits zuvorderst in Groß- und Uni-Städten
den grünen Ideen immer mehr angenähert hat. Der CDU zeigt die
Niederlage erneut auf, dass sie vom großstädtischen Lebensgefühl
weiter weg ist, als einer Volkspartei auf Dauer guttun kann. Das
„bürgerliche“ Lager erreicht das neue Öko-Bürgertum nicht. Im Land
leidet die CDU eineinhalb Jahre nach dem Verlust der Regierungsmacht
zudem weiter unter dem „Mappus-Malus“, der Verunsicherung ihrer
Klientel aufgrund des Negativimages ihres Ex-Regierungschefs Stefan
Mappus. Die SPD muss vergegenwärtigen, dass sie im Südwesten auf
längere Sicht mit Platz drei im Parteiengefüge und der Rolle des
Mehrheitsbeschaffers für die Grünen vorliebnehmen muss. Kuhn hat
einen geschickten Wahlkampf geführt. Er hat sich als erfahrener,
wertkonservativer Politikprofi präsentiert und sich kaum angreifbar
gemacht. Seine Position zu Stuttgart 21 etwa ist so breit angelegt,
dass sie nur die härtesten Gegner abstoßen konnte, für die Sebastian
Turner aber auch keine Alternative war. Der Kandidat der
Konservativen hat, gemäß dem alten Sponti-Motto „Du hast zwar keine
Chance, aber nutze sie“, seinen Wahlkampf nach dem ersten Urnengang
um 180 Grad gedreht. Der Versöhner, der das „Miteinander“
plakatierte, wandelte sich zum Angreifer, der vor groben Fouls nicht
zurückschreckt. Dass die CDU noch versuchte, für den politischen
Quereinsteiger eine Pro-S-21-Kampagne aufs Gleis zu setzen, erwies
sich angesichts der Bahn-Pannen als Eigentor. Am Ende blieb unklar,
wer der Kandidat wirklich war. Auf den grünen Sieger wartet nun viel
Arbeit. Kuhn trifft im Rathaus auf eine öko-soziale Mehrheit – und
auf große Erwartungen. Er muss nun zeigen, dass er sein Versprechen,
mit grünen Ideen schwarze Zahlen zu schreiben, einlösen kann. Dass
er, der Machtmensch, den Umgang mit dem Megaprojekt S 21 managen und
zugleich das Miteinander in der aufgewühlten Stadt befördern kann.
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Lothar Tolks
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