Und die Zeiten ändern sich doch
Redner bei Jubiläumsveranstaltungen ergehen sich zumeist nur
darin, Vergangenes zu würdigen, oft auch zu verklären. Beim gestrigen
Festakt zum 60. Jahrestag der Charta der Heimatvertriebenen,
zweifellos einem grundlegenden Dokument zur Geschichte der
Bundesrepublik, fehlte dieser Rückblick natürlich auch nicht.
Bemerkenswerter aber war, was die beiden Christdemokraten Norbert
Lammert und Thomas de Maizière nicht nur den versammelten Gästen des
Bundesverbands der Vertriebenen als Konsequenz des unstrittigen
Unrechts der Vertreibung vor bald sieben Jahrzehnten mit auf den Weg
gaben: Migranten, woher auch immer, sind willkommen zu heißen, zumal
wenn sie deutsche Staatsbürger werden wollen. Die sicher für viele
unerwartete Botschaft war klar: Nicht Deutschtümelei, sondern
Verfassungspatriotismus und Weltoffenheit sollen, ja müssen die
Zukunft prägen. Was im Fußball klappt, muss gesellschaftliche
Selbstverständlichkeit werden: Der Türke wird Schwabe. Vor kurzem
noch hätte Erika Steinbach Fraktionskollegen für ihr
Vertriebenenjubiläum gefunden, die sich in verquasten Forderungen
nach einer deutschen Leitkultur gefallen hätten. Gestern musste sie
die Absage an einen extra Vertriebenen-Gedenktag schlucken. So ändern
sich die Zeiten. Aus der überaus freundlichen Begrüßung ihres
Widersachers Westerwelle könnte man herauslesen: Sie merkt es.
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