Südwest Presse: KOMMENTAR zu VORRATSDATENSPEICHERUNG Ausgabe vom 17.10.2015

KOMMENTAR zu VORRATSDATENSPEICHERUNG

Ausgabe vom 17.10.2015

Immer noch bedrohlich

Das kann nur ein Fehler sein. Mit 404 Stimmen hat der Bundestag
erneut die Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Obwohl der
federführende Minister Heiko Maas (SPD) im Januar noch behauptete,
„eine solche Speicherung verstößt gegen die Grundrechte“. Obwohl der
NSA-Skandal gezeigt hat, wie groß die Skepsis gegenüber staatlicher
Datenspeicherungen ist. Obwohl Bundesverfassungsgericht und EuGH
ähnliche Gesetze gekippt haben. Und obwohl die Opposition angekündigt
hat, erneut zu klagen. Das Gesetz ist durch und alles spricht
dagegen. Im Jahr 2010 wurde das Vorgängergesetz in Karlsruhe unter
anderem deshalb gekippt, weil es geeignet gewesen sei, „ein diffus
bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen“. Die
Bundesregierung hat nun mit ein paar Schönheitskorrekturen versucht,
dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Die Daten werden nicht mehr
sechs Monate, sondern maximal zehn Wochen gehortet; und es wird
strenger geregelt, wann die Informationen von der Staatsanwaltschaft
abgerufen werden dürfen. Am Grundproblem ändert das gar nichts. Die
anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten bleibt ein
verheerender Eingriff in die Privatsphäre. Denn mit den Daten lassen
sich sehr private Informationen rekonstruieren. Mit wem Sie wie oft
telefonieren. Wen Sie nach der Arbeit besucht haben. Wie Ihnen der
Besuch auf einer Website nachgewiesen werden kann. Oder, wie die
Telekom gestern eingeräumt hat, was in ihren SMS steht. Die Daten
sind da, durch staatliche Anordnung, auf einem Server, über den Sie
keine Kontrolle haben. Grund für ein bedrohliches Gefühl des
Beobachtetseins ist das allemal.

Pressekontakt:
Südwest Presse
Ulrike Sosalla
Telefon: 0731/156218