Südwest Presse: Kommentar zu Zeugen Jehovas

Ablehnung sind die Zeugen Jehovas gewohnt. Von den
Nazis wurden sie verfolgt, in der DDR waren sie verboten. Unsere
Verfassung dagegen wertet die Religionsfreiheit als hohes Gut – eine
Errungenschaft, die sich gerade im Umgang mit Minderheiten bewähren
muss. Der Streit der Landesregierung um die Anerkennung der Zeugen
Jehovas als Körperschaft dreht sich im Kern aber um eine andere
Frage: Muss das Land ausgerechnet eine Organisation mit
weitreichenden Privilegien wie Steuererleichterungen fördern, die aus
seiner Sicht Grundrechte gefährdet und schon der bloßen Teilnahme an
demokratischen Wahlen skeptisch gegenübersteht? Die Antwort der
CDU/FDP-Regierung – die das vor gut einem Jahr in Teilen noch anders
gesehen hatte – lautet nun zu Recht: nein. Natürlich erschwert die
juristische Niederlage Berlins gegen die Zeugen Jehovas die
Erfolgsaussichten des Landes in einem wahrscheinlichen Rechtsstreit.
Aber angesichts der Tragweite einer möglichen Aufwertung, die
Begehrlichkeiten bei Sektierern mit deutlich fragwürdigeren
Positionen weckt, ist es der Versuch wert. Konsequenter wäre indes
eine Änderung des Körperschaftssteuergesetzes. Doch eine Debatte
darüber versuchen die großen christlichen Kirchen kleinzuhalten: Sie
profitieren ebenfalls vom Körperschaftsstatus, der auch ein Beleg
dafür ist, dass die Trennung von Staat und Kirche in Deutschland nie
ganz vollzogen worden ist.

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Lothar Tolks
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