Südwest Presse: Kommentar zur Pisa-Studie

Die neuen Pisa-Ergebnisse sind halbwegs erfreulich –
mehr auch nicht. Deutschlands Schüler haben sich wieder ein Stückchen
vorangearbeitet. Vergleicht man ihr Abschneiden mit den Ergebnissen
vor knapp zehn Jahren, gibt es spürbare Fortschritte. Der Pisa-Schock
war also ein heilsamer. Nur: Die Schwächsten profitieren davon am
wenigsten, weil sie noch immer nicht die Aufmerksamkeit und Zuwendung
erfahren, die sie benötigen – und die ihnen zustehen. Gewiss ist
inzwischen manches geschehen, um die gröbsten Nachteile sozial
benachteiligter Kinder auszugleichen. Der Ausbau der frühkindlichen
Bildung und der Ganztagsschulen zeigt Wirkung. Doch wenn nicht nur
das soziale Gewissen der Gesellschaft beruhigt werden soll, muss
künftig geklotzt statt gekleckert werden, um das Potenzial der Kinder
aus Migrantenfamilien und der deutschen Unterschicht zu wecken. Bei
aller Freude über schrittweise Erfolge bleibt die Erkenntnis: Andere
können es besser als wir. Warum? Weil sie wissen, dass es sich lohnt,
über lange Zeit viel Geld für Bildung auszugeben, weil sie ihre
Lehrer einem harten Auswahlverfahren unterziehen, sie sorgfältig
ausbilden, ihnen hohe Wertschätzung entgegenbringen. Und die
Pisa-Experten unterstreichen: Die frühe Grundschulauslese schadet den
sozial Schwachen, ohne dass die Leistung aller Schüler steigt.
Brauchen wir noch einmal zehn Jahre, bis Deutschland daraus die
richtigen Lehren zieht?

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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