Südwest Presse: Kommentar zur Todesstrafe

Die Todesstrafe, die gegen vier Vergewaltiger und
Mörder einer 23-jährigen Inderin verhängt wurde, ist gerecht – das
sagen angesichts der unbegreiflichen Brutalität der Tat selbst
manche, die eigentlich gegen sie sind. Doch klar ist: Kein Staat der
Welt darf das Leben eines Menschen zur Strafe beenden – nicht, wenn
er in Malaysia Drogen schmuggelt, nicht, wenn er einen Terroranschlag
in China verübt hat, noch nicht einmal, wenn er eine junge Frau mit
einer Eisenstange zu Tode quälte. Doch nach monatelangen Protesten
scheint ganz Indien erleichtert über das Urteil. Eine Nation, die
sich als Demokratie versteht, die aber nicht viel gibt auf die
weibliche Hälfte ihrer Bevölkerung, und die fest die Augen
verschließt vor der allgegenwärtigen Gewalt gegen Frauen. Diesmal
gelang das nicht: zu grausam war der Mord, zu groß war die
Aufmerksamkeit weltweit. Das Gefühl, dass Frauen in Indien nicht
sicher sind, müssten Gerichte mit harten Strafen zerstreuen, forderte
dort der Staatsanwalt. Und enttarnt damit, worum es wirklich geht.
Nicht um Strafe, nicht um Gerechtigkeit, sondern darum, ein
aufgebrachtes Volk zu beruhigen: Seht her, wir kümmern uns. Die
Monster büßen mit ihrem Leben. Die Todesurteile werden eine
Gesellschaft, in der es dieses Jahr schon mehr als 1000
Vergewaltigungen gab, nicht nachhaltig ändern. Das ist die Aufgabe
des Staates, der Respekt für Frauen vermitteln muss.

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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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