LEITARTIKEL zu ZWANGSABGABE
Ausgabe vom 19.03.2013
Da schlägt sich manch“ Stammtischstratege auf die Schenkel:
Endlich haben sie es kapiert in Brüssel, dass Sonnenanbeter und
Laumalocher in Zypern, Griechenland und sonstwo rund ums Mittelmeer
selbst die Zeche zahlen müssen. Schließlich haben sie sich die Misere
ja mehr oder weniger auch selbst eingebrockt – und sei es nur, weil
sie die für den Schuldenberg verantwortlichen Politiker gewählt
haben. Doch so einfach ist die Welt nicht. Was in Zypern stattfinden
soll, ist eine Enteignung. Es geht nicht um eine Abgabe, die
Betroffene zu leisten haben, sobald sie bestimmte Tatbestände
erfüllen. Es geht um den nachträglichen, entschädigungslosen Entzug
von Besitz. Da muss schon das Gemeinwohl überragend berührt sein, ehe
das in einem Rechtsstaat geht. Ansonsten bleiben Enteignungen
Diktaturen oder den Gewinnern von Eroberungskriegen vorbehalten. Oder
erfolgreichen Revolutionären. Das mag den Strategen noch am ehesten
gerecht werden, die in der Brüsseler Nacht diesen Weg zur Sanierung
der Banken auf der Mittelmeerinsel ausgekungelt haben. Denn sie
können schon auch Gründe für ihr Eigentumsdelikt ins Feld führen. Am
besten ist der ganz pragmatische: In etlichen EU-Staaten würden die
Parlamente es ablehnen, das Bankensystem auf Zypern allein mit dem
Geld der Steuerzahler zu sanieren. Insbesondere im Bundestag täte
sich jede/r Abgeordnete/r sehr schwer, ein paar Monate vor der
nächsten Wahl ein weiteres Milliarden-Rettungspaket mit
28-prozentiger deutscher Beteiligung durchzuwinken. Denn
innenpolitisch wird um jedes Milliönchen gefeilscht, sei es zur
Schaffung von Krippenplätzen oder Ausstattung von Krankenhäusern. Wir
kriegen die Rente mit 67 und Zyperns Banken Milliarden von unserem
Steuergeld – so wird das Thema im Wahlkampf diskutiert. Die
bedingungslose Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien, der
verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums in der EU sind da
vergleichsweise abstrakte Güter. Auch, dass die EU 2010 mit Getöse
eine Bestandsgarantie für Spareinlagen bis 100 000 Euro verkündet
hat, gilt nicht. Denn Zypern, so die Befürworter des Zwangsgeldes,
ist ein Sonderfall. Es hat sein Bankensystem überproportional
aufgebläht, um sich als sicherer Hafen für Millionenanleger zu
profilieren – von vermutlich unversteuertem, womöglich sogar mit
Verbrechen verdientem Geld. Nach dieser Lesart wäre die Bankenabgabe
eine Art Sippenhaft für unbotmäßige Insulaner. Schaut man allerdings
genau hin, hakt die These von der „gerechten“ Buße an allen Ecken und
Enden. So ist ungeklärt, wie stark sie die vermeintlichen
Hauptprofiteure tatsächlich trifft. Reiche Russen oder Briten haben
ihr Vermögen auf Zypern wohl überwiegend nicht als gering verzinste
Spareinlage gebunkert. Ob und wie aber Aktiendepots oder
Finanzprodukte jenseits des braven Sparkontos der „Abgabe“
unterliegen, ist ungewiss. Gewiss ist nur, dass sie all jene Menschen
trifft, die von ihrem sauber verdienten und versteuerten Geld etwas
auf die hohe Kante gelegt haben. Gewiss ist auch, dass diese Menschen
unter solchen Umständen mit der EU und Parteien, die sie befürworten,
nichts mehr am Hut haben. Dass die in Brüssel vereinbarte
Zwangsbewirtschaftung nicht mal mit einer sozialen Unterkante
versehen wurde, war ein weiterer Geburtsfehler, der erst gestern
repariert wurde. Die EU sollte in ihrem Zuständigkeitsbereich mit
allen rechtlichen Mitteln gegen Schwarzgeldanlagen vorgehen. Sie
sollte es nicht zulassen, dass Staaten wie Zypern den Partnern mit
Dumpingsteuern für Unternehmer das Wasser abgraben. Doch ihre
Rechtsstaatlichkeit sollte sie deshalb nicht aushöhlen.
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Lothar Tolks
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