Thüringische Landeszeitung: Kommentar: Wachsender Druck auf Thüringens Staatskanzleichef Jürgen Gnauck (CDU)

Jürgen Gnauck ist Jurist. Und der Staatskanzleichef
denkt auch genau so – eben juristisch. Das mag in der Chefetage von
Eon gut sein, ebenso, wenn man als Rechtsanwalt unterwegs ist. Aber
Gnauck vergisst, dass an den Schaltstellen der Politik eben nicht nur
juristisch, sondern auch verschärft politisch gedacht werden muss,
dass die Öffentlichkeit manches, was juristisch in Ordnung ist, nicht
nachvollziehen kann. Das müsste er aber eigentlich wissen, denn als
Chef des Gemeinde- und Städtebundes hat er häufig genug hinter den
Kulissen geschickt die Fäden gezogen. Und auf dem Chefstuhl in der
Staatskanzlei hat er auch schon gesessen.

Wenn die Öffentlichkeit beispielsweise Klarheit in Sachen
Kalivertrag und dessen Offenlegung fordert, kann man dies mit
juristischen Argumenten abwehren – politisch kann man damit kaum
punkten. Der Jurist Gnauck kann auch plausibel erklären, warum er
seine Klage gegen das Land wegen früherer Beihilfeleistungen bis zum
Ende durchzieht – der Normalbürger allerdings hat Schwierigkeiten,
diesen Kurs zu verstehen. So ist es auch bei der Einstellung seiner
Chefsekretärin. Juristisch ist vermutlich alles korrekt gelaufen.
Dass die Sekretärin bei ihrem Wechsel in die Staatskanzlei keine
Gehaltseinbußen hinnehmen wollte, versteht jeder. Aber der Weg über
die Arbeitnehmerüberlassung ist zu verschlungen, um nicht bei vielen
zumindest ein Gschmäckle zu erzeugen.

Gnauck hat die Staatskanzlei sicher im Griff, er ist auch ein
Dickkopf darin, Dinge, die er für richtig erkannt hat, durchzuboxen.
Widerstand erhöht höchstens seinen politischen Adrenalinspiegel.

Lieberknecht hat erst jüngst ein monatelanges, am Ende
ergebnisloses Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft im Amt
ausgehalten. Sie kennt also die Lage, in der sich Gnauck jetzt
befindet. Er wird deshalb solange unter ihrem Schutz stehen, wie
Lieberknecht ihn nicht für eine unnötige Belastung des
heraufziehenden Landtagswahlkampfs hält.

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