WAZ: Auf gute Nachbarschaft. Kommentar von Achim Beer

So ist der Mensch: Schüttelt den Kopf über Israelis
und Palästinenser – doch sobald die Tagesschau vorbei ist, geht er in
den Garten und spannt die Zwille für Nachbars Katze. Er wähnt sich
natürlich im Recht, denn die Katze ist ja die Grenzverletzerin, und
außerdem hat er Schiller gelesen: „Es kann der Frömmste nicht im
Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“

Ein gefährliches Literaturwissen ist das: Denn wer erst einmal
sich selbst zum Opfer und den anderen zum Bösen stilisiert hat, der
kommt aus der Spirale der Empörung überhaupt nicht mehr heraus. Und
landet irgendwann mit dem Nachbarn vor Gericht. Also zurück ins Regal
mit Wilhelm Tell. Besser Voltaire herausgegriffen, die letzte Zeile
von „Candide“. Was kann man tun, wenn man die Tagesschau geguckt hat
und an den Kriegen der Anderen zu verzweifeln droht? „Wir müssen
unsern Garten bestellen“, schreibt Voltaire. Die Heilung der Welt, so
legt er uns nahe, sie könnte hinter dem eigenen Haus beginnen.

Eine schöne Hoffnung – eine große Verpflichtung. Wir wünschen ein
friedliches Wochenende.

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