WAZ: Der Knast als Sicherheitsrisiko – Kommentar von Dietmar Seher

Das ist mal kein Stoff für eine Wahlkampf-Endrunde:
Seit den Zeiten von Heinz Kühn haben in NRW wohl die Regierungen
aller Farbmischungen versagt, als es um die Sicherheitskonzepte der
Haftanstalten ging. Ausbrüche passierten in jeder Wahlperiode in
Serie. Und der Drogenkonsum gehört längst zum Alltag in
Zellentrakten, die nicht selten noch Häftlinge aus dem 19.
Jahrhundert gesehen haben. Bochum aber ist schon ein Höhepunkt der
Unfähigkeit. Stimmen die Ermittlungsergebnisse der Kommission, ist
die Sicherheitslage dort auch durch fehlenden Brandschutz und
mangelnde Motivation der Mitarbeiter beeinträchtigt. Es wird nicht
reichen, nur den Anstaltsleiter auszuwechseln. Rund 20 000 Gefangene
verbüßen in NRW ihre Strafen. Das ist eine große Verantwortung für
die Politik. Denn die wenigsten sind unverbesserliche
Schwerverbrecher. Die meisten kommen nach wenigen Jahren frei. Sind
sie dann durch die unkontrollierte Subkultur in den Gefängnissen
„versaut“ worden, wozu Rauschgift und tägliche Gewalt gehören, sind
nächste Straftaten programmiert. Dann können sich die Polizeibehörden
die Präventionsprogramme sparen. Dann wird der Gelegenheitsdieb zum
Dauerkunden. Es ist also vernünftig, alle 37 Vollzugsanstalten nach
dem Modell Bochum zu überprüfen. So unangenehm der Gedanke ist:
Bochum könnte überall sein.

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