WAZ: Die Deutschen als Euro-Freunde. Leitartikel von Ulrich Reitz

Wir essen, trinken, reisen, kurzum: Wir leben ganz
selbstverständlich europäisch; unsere Kinder meistens sogar noch
intensiver als wir. Und der Euro gehört dazu. Anders ist es kaum zu
erklären, dass zwei von drei Deutschen die Gemeinschaftswährung ganz
in Ordnung finden.

Und es stimmt ja: Eine Rückkehr der Mark würde auch für uns
Deutsche erst einmal teuer. In Deutschland würden die Löhne sinken,
die Arbeitslosigkeit nähme zu, denn unsere Nachbarn hätten weniger
Geld, die teurer werdenden deutschen Produkte zu kaufen. Von den
unabsehbaren politischen Folgen, drohenden Handelskriegen etwa, ganz
zu schweigen.

Und doch durchlebt der Euro seine bisher größte Bewährungsprobe.
Der laute Streit um Euro-Anleihen zeigt es ja. Immer mehr Staaten
wollen solche Anleihen, mit denen nationale Schulden
vergemeinschaftet würden. Deutsche und Franzosen sind strikt dagegen.
Es wäre nämlich der Einstieg in eine Transferunion, die die
überwältigende Mehrheit der Menschen ablehnt. Übrigens auch der
Luxemburger Juncker, der diese Euro-Bonds jetzt fordert. Das war
freilich vor der Währungsunion.

In der Tat: Wenn Griechen und Iren und Spanier über ihre
Verhältnisse leben, weshalb sollten wir dafür zahlen? Die
Schuldensünder sollten sparen. Sie tun es ja auch. Es ist nur eben
auch klar, dass die Betroffenen dagegen auf die Straße gehen. Für
nächste Woche ist in Griechenland ein Generalstreik angekündigt. Nur
haben etwa die griechischen Staatsbahnen bislang doppelt so hohe
Löhne gezahlt wie ihre private Konkurrenz. Den Lokomotivführern sei
ihr Geld gegönnt, nur ruiniert man auch so eine Währung.

Aus Griechenland kommt auch die Meldung, dass immer mehr Griechen
ihr Geld in die Schweiz bringen. Die Begründung ist weitsichtig: Sie
misstrauen dem politischen Frieden, fürchten die Wiedereinführung der
Drachme und wissen, dass sie dann noch viel mehr Geld verlieren
würden als durch drastisches Sparen. Gerade wir Deutschen haben
unsere Erfahrungen gemacht mit einer Transferunion; als wir gutes
Geld in eine zusammenbrechende DDR-Wirtschaft steckten, ein Fass ohne
Boden.

Fazit: Der Schlendrian in Schwachwährungsländern muss aufhören.
Das sollte der Euro-Gipfel nächste Woche beschließen. Nur dann werden
die Deutschen ihr Vertrauen in den Euro behalten.

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