In Kürze jährt sich zum 25. Mal die Atom-Katastrophe
von Tschernobyl. Der Name der ukrainischen Stadt – bis zu jenem 26.
April 1986 weithin unbekannt – steht seitdem weltweit symbolhaft für
den atomaren Super-GAU schlechthin. Nun steht fest, dass künftig
neben Tschernobyl ein zweiter Name dieses Schicksal teilen wird:
Fukushima. Noch ist unklar, was genau sich in dem havarierten
Atommeiler ereignet hat; auch die Folgen für die Menschen in Japan
sind unabschätzbar. Klar ist dagegen: Die Politiker in Deutschland
haben keine Zeit verloren – nur Stunden nach den ersten Meldungen
über die sich abzeichnende Katastrophe wurde die parteipolitische
Debatte darüber eröffnet. Das Leid in Japan, so hatte man bei mancher
eiligen Wortmeldung den Eindruck, wurde für die eigene politische
Profilierung in den Hintergrund gerückt. Gleichwohl liegen viele
Fragen auf dem Tisch. Ein einfaches „Weiter so“ in der
Kernkraft-Debatte darf es hierzulande nicht geben. Dass die
Sicherheit der deutschen Atommeiler überprüft wird, wie die
Bundeskanzlerin ankündigt, kann deshalb nur der Anfang sein. Die
beschlossene Laufzeit-Verlängerung für die Kraftwerke muss aufs Neue
hinterfragt werden: Ist es wirklich verantwortbar, alte Reaktoren
länger am Netz zu halten? Ist nicht doch ein schnellerer Umstieg auf
regenerative Energien möglich? Gleichzeitig muss das ungelöste
Problem eines Endlagers für Atommüll endlich entschlossen angegangen
werden. Und letztlich kommt man auch an der unbequemen Frage nach der
grundsätzlichen Vertretbarkeit einer, wie Fukushima auf bedrückende
Weise zeigt, letztlich unbeherrschbaren Technik nicht vorbei. All
dies muss auf die politische Agenda – vorurteilsfrei, sachlich,
unaufgeregt. Doch die Chancen für eine solche Debatte stehen nicht
gut. Es herrscht Wahlkampf, in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz,
in Sachsen-Anhalt – und schon bald wohl auch in NRW. Schlechte Zeiten
für seriöse Debatten. Wer hofft, dass die Katastrophe von Fukushima
zu einem Innehalten der Politik führt, sieht sich schon jetzt
enttäuscht. Fazit: Fukushima markiert einen Einschnitt. Ein
schlichtes „Weiter so“ in der Atompolitik darf es nicht geben. Nötig
ist eine vorurteilsfreie Debatte über die künftige Energiepolitik.
Doch dafür müssen wohl erst die Wahlkämpfe der nächsten Monate
vorbeigehen.
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