WAZ: Eitler Terrorist. Kommentar von Jens Dirksen

Auch bin Laden wollte die Haare schön haben. Die
verräterischen Making-of-Videos aus dem Filmstudio Abbottabad
erklären, warum die US-Regierung noch keine Bilder des toten Osama
bin Laden herausgegeben hat: Niemand hätte sich noch für den
gefärbten Bart des Terror-Propheten interessiert, wenn gleichzeitig
sein blutiges Leichenantlitz zu sehen gewesen wäre.

So aber, als eitler Greis, der sich die eigenen Bilder ansieht,
wird bin Laden aus der Sphäre des übermenschlichen Idols auf den
Boden der eitlen Tatsachen geholt: Der Mann, der sich Haare und Bart
färbt, unterscheidet sich eben doch nicht so sehr von all den
Menschen jenseits der Lebensmitte, die sich gern so jung gesehen
wissen wollen, wie sie sich fühlen. Diesem Anschein zuliebe hat bin
Laden ja sogar auf die Aura des würdigen Weisen mit grauem Bart
verzichtet, der allem Weltlichen abhold ist. Das Gegenteil war der
Fall: Er selbst hatte offenbar lebhaften Anteil an dem, was er in
seinen Reden gern als westliche Dekadenz beschimpft und zur
Verachtung freigegeben hat. Und er ist ja nicht der erste Terrorist,
für den die Weltverbesserung durch Sprengstoff vor allem eine große
Bühne mit maximalem Publikum darstellt.

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