Nach der Patchwork-Familie Wulff zieht nun ein Paar
ohne Trauschein ins Schloss Bellevue – ein Problem? Für manche
Konservative, etwa aus den Reihen der CSU, offenbar schon. Doch deren
Kritik an den persönlichen Lebensverhältnissen des künftigen
Bundespräsidenten ist kleinkariert und völlig fehl am Platze.
Die „wilde Ehe“ von Joachim Gauck und seiner Partnerin Daniela
Schadt ist für die Ausübung seines Amtes ebenso irrelevant wie Guido
Westerwelles Homosexualität für die deutsche Außenpolitik oder Horst
Seehofers außerehelicher Seitensprung für seine Arbeit als
bayerischer Ministerpräsident.
Anders als etwa in den USA, wo die privaten Beziehungen von
Politikern bis ins Detail ausgeleuchtet werden, gilt dieser Bereich
hierzulande als Privatleben und wird als solches (meistens)
respektiert. Geschieden, wiederverheiratet, Ehe ohne Trauschein – all
dies gehört längst zur Realität, zum gelebten Alltag in Deutschland
und ist gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, selbst in Teilen der
Kirchen.
Wenn nicht alles täuscht, wird Joachim Gauck kein bequemer
Bundespräsident, und das ist gut so. Er wird mahnen, den Finger in
die Wunde legen, vielleicht provozieren. Daran können wir uns reiben,
daran dürfen wir ihn messen. Die Form der Beziehung zu seiner
Lebenspartnerin geht uns nichts an.
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