WAZ: Kohls Mahnung. Kommentar von Ulrich Reitz

Es gibt Dementis, die kann man getrost vergessen.
Das von Helmut Kohl gehört dazu. Ob er nun den Satz gesagt hat: „Die
(Merkel) macht mir mein Europa kaputt“, oder hinterher diplomatischer
gewesen sein will – einerlei.

Zweifellos fehlt Europa die Führungsfigur, die Kohl damals war.
Wenn Kohl Europa als seine Leistung einstuft, ist das zwar
übertrieben, weil der Kanzler damals nicht alleine war, aber man kann
seine Leidenschaft verstehen. Der Euro als der deutsche Preis für die
Wiedervereinigung des Landes, die folgerichtige Erweiterung Europas
nach Osten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, das war Kohls Vision.
Angela Merkel hat keine.

Es gibt Zeiten für kleine und Zeiten für große Wahrheiten. Europas
Schuldenkrise ruft nach einer großen. Die Alternative zu Europa, die
von Radikalen wie Hollands Rechtsausleger Wilders verfolgte
Renationalisierung, mag man sich nicht vorstellen, nicht in unserem
und nicht im Interesse unserer Kinder. Merkel muss anfangen, für
Europa zu kämpfen. Das heißt nicht, den Griechen ihre teuren Wünsche
zu erfüllen. Aber so blutleer ist Deutschland noch nie mit Europa
umgegangen. Da hat Kohl recht.

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