WAZ: Kontrolleure unter Pseudonym –
Geister-Bahn
– Kommentar von Lars von der Gönna

Haben Sie gestern Ihre Bahncard vielleicht einem
Helmut Schmidt vorzeigen müssen? Oder Maria Krohn? Oder Rosamunde
Pilcher? Dann waren das womöglich keine Namensvettern, sondern die
ganz witzigen Köpfe unter den Außendienstmitarbeitern der Bahn AG.
Denn die Bahn stellt ihren Mitarbeitern überraschenderweise frei, wie
sie sich im Umgang mit der Kundschaft nennen, Pseudonyme gestattet.
Und Herr Schmidt ist vielleicht ein Müller! Das Motiv ist klar und es
ist auf den ersten Blick ehrenwert. Da übernimmt ein Unternehmen
Verantwortung, da trägt es Fürsorge in einer Gesellschaft, deren
Mitglieder immer aggressiver werden. Wie andere, die in unserem
Alltag Abläufe sichern, Verstöße ahnden und Schaden von Menschen oder
Institutionen abwenden, sind auch Zugbegleiter nicht zu beneiden.
Manche üben ihren Beruf längst in Angst aus, erfahren Schmähungen,
Drohungen, sogar Gewalt. Allein ist diese ans bizarre grenzende
Kreativ-Taufe ein Bärendienst für alle Beteiligten. Der ehrliche
Kunde (einer, der sich vielleicht vom Zugbegleiter schlecht behandelt
fühlt) läuft bei Reklamationen leicht vor die Wand. Und
Bahnmitarbeitern ist der Spott der Reisenden künftig gewiss. Man wird
sie fragen: Sind sie noch ganz echt?

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