WAZ: Mitten ins Herz der Briten. Leitartikel von Jasmin Fischer

In atemberaubendem Tempo wird an der Themse alles
fortgespült, was bis vor kurzem noch Rang, Namen und Tradition
genoss. Dass die Heimat der Höflichkeit ein Sumpf aus Filz, Schwächen
und Korruption ist, sorgt für Schlagzeilen – und trifft die Briten
ins Herz. Allen voran rangiert die Entzauberung von Scotland Yard.
Die Behörde mit dem tadellosen Ruf hat offenbar nicht nur Schmiergeld
von Reportern angenommen und dafür Bürger ausgespäht, sondern
umgekehrt zweifelhafte Journalisten für PR-Dienste fürstlich
entlohnt. Die zwei ranghöchsten Polizisten haben dafür ihren Dienst
quittiert. Doch die Frage bleibt: Wenn Scotland Yard nicht zwischen
Recht und Unrecht unterscheiden kann, wer dann?

Die Familiendynastie Murdoch taumelt. 800 Millionen Euro soll sie
durch Kursverluste seit Ausbruch des Skandals verloren haben;
Verluste durch die von der Regierung boykottierte Übernahme eines
TV-Senders nicht mitgerechnet. Ein Skandalblatt musste die Familie
schließen, der Imageverlust ist gewaltig. Das Murdoch-Imperium wird
seine Gründer opfern müssen, um zu überleben.

Als Letztes richtet sich das Visier der Empörung auf Premier
Cameron, der die Verstrickungen von Medien, Ordnungshütern und
politischen Eliten nicht zerschlagen, sondern zum eigenen Vorteil
gehegt hat. Freundschaften, gemeinsame Feste – Cameron muss
erklären, warum er die Nähe zu jenen Murdoch-Mitarbeitern gesucht
hat, deren dubiose Arbeitsweise bekannt war.

Fazit: Der Skandal trifft Großbritannien ins Mark. Die
Glaubwürdigkeit Scotlands Yards ist erschüttert und Premier Cameron
ist beschädigt. Ob er seine Haut retten kann, ist alles andere als
sicher.

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