Mit rüden Attacken gegen „Kopftuchmädchen“ und
Hartz-IV-Bezieher hat Sarrazin das selbst geschnitzte Image des
Tabubrechers der Nation sorgsam gepflegt. Mit dem neuen Buch scheint
er es krönen zu wollen. Es zeichnet das düstere Bild eines
erschlaffenden, verdummenden, aussterbenden Deutschland, das seinen
sich erschöpfenden Wohlstand auffrisst, in dem sich Intelligenz nicht
reproduziert, in dem muslimischer Einfluss schaltet und waltet, so
dass „wir zu Fremden im eigenen Land werden“. Provozierend wie immer.
Hat er Recht? Richtig ist, dass die Politik, gleich in welchen
Parteikonstellationen, die großen Zukunftsthemen – demografische
Verwerfung, Sozialsystem und Integration – niemals in ihrer
existenziellen Bedeutung erfasste. Es wurde stets nur an Symptomen
der Veränderungen herumreformiert. Richtig ist, dass „politische
Korrektheit“ zu viel verschwieg und verdeckte, was etwa bei der
Integration aus dem Ruder lief, und z. B. zu „Parallelgesellschaften“
führte. Falsch aber, und für den gesellschaftlichen Frieden
schädlich, ist Sarrazins zuspitzende, verzerrende, vereinfachende
Art. Sie vertieft Gräben – so zwischen Einheimischen und
Zugewanderten, Arm und Reich – die Sarrazin doch angeblich zuschütten
will.
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