WAZ: Sprosse als Lehrstück. Kommentar von Dietmar Seher

Aus Schaden wird man klug. Der Satz klingt zynisch,
wenn es um Dutzende Tote und Tausende Erkrankte geht. Aber er stimmt.
Bund und Länder haben aus der Ehec-Epidemie gelernt. Eine „Taskforce“
beim Berliner Verbraucherschutzministerium koordinierte die Fahndung
nach dem bösartigen Erreger. Sie fand ihn schließlich in einem
niedersächsischen Gartenbetrieb. Er saß auf Sprossen, wohl aus
Ägypten.

Das alles ist nur eine halbe Erfolgsgeschichte. Denn die ersten
Patienten merkten um den 8. Mai von ihrer Infektion. Drei Wochen lang
verlief die Suche, diplomatisch ausgedrückt: unkoordiniert. In der
Praxis: chaotisch. Als Beschuldigte blieben zwischenzeitlich
spanische Gurken auf der Strecke. Es dauerte Wochen bis zur
Aufklärung. Es ist nicht auszuschließen, dass Menschen auf Grund zu
später Warnung erkrankten, auch wenn diese dann richtig war.

Das Zusammenspiel von Bund und Ländern, die primär für die
Lebensmittelsicherheit in Deutschland zuständig sind, läuft unrund.
Das ist kein Einzelfall. Föderalismus ist gut. Manchmal aber muss
einer das Sagen haben. Die Sprosse wird zum Lehrstück.

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