WAZ: Sünder, Fahnder und Rechtsstaat – Leitartikel von Dietmar Seher

Norbert Walter-Borjans und seine Wuppertaler und
Düsseldorfer Steuerfahnder surfen auf der Erfolgswelle. Dem
NRW-Finanzminister werden reihenweise geklaute Daten aus Schweizer
Bankcomputern angeboten. Reihenweise melden sich dann die deutschen
Steuersünder, noch bevor sie Besuch der Fahnder erhalten haben.
Selbstanzeige und Nachzahlung garantieren ja, dass sie halbwegs
ungestraft bleiben. Walter-Borjans kommt es nicht auf das schnelle
Geld an, das er so kassiert. Er will das umstrittene Steuerabkommen
kippen, das der Bundesfinanzminister mit den Eidgenossen ausgehandelt
hat. Es sieht einerseits die Anonymität der bisherigen Sünder vor,
andererseits eine hohe Abschlagzahlung auf erfolgte Hinterziehungen
und vernünftige Besteuerungen in der Zukunft. Der Minister will
Signale geben. An andere Länder: Auch ohne Abkommen könnt Ihr
hinterzogenes Geld zurückholen. An die Wähler: Wir Sozialdemokraten
sind die Partei der kleinen Leute. Wir machen in Abkommen keine
Kompromisse zu Gunsten der Reichen. Dass Steuerhinterzieher dem Staat
schaden, das ist Konsens. Dass Schweizer Banken eine unsägliche Rolle
spielen? Ja. Doch Konsens müsste es auch sein, dass der Kampf gegen
die kriminelle Spielart, das eigene Land im Stich zu lassen, nur mit
rechtsstaatlichen Mitteln zu führen ist. In NRW ist dies nicht
eindeutig. Ob der Staat hier Hehlerware kauft oder nicht, ist sicher
nicht abschließend durch höhere Gerichte entschieden. Es fehlt in
Düsseldorf aber jeder Wille, Vorwürfe zu klären, die Schweizer
Bundesbehörden gegen deutsche Fahnder erheben: Dass sie beim bisher
größten Fall, dem Kauf der CD der Credit Suisse 2010, unsaubere
Wirtschaftsspionage betrieben haben. Heiligte damals der Zweck die
Mittel? Damals regierte Schwarz-Gelb. Es stand die Landtagswahl
bevor. Vielleicht neigen Politiker aller Couleur dazu, Steuerfahnder
einzuspannen, um mit deren Erfolgen politisch zu punkten. Die dürfen
dann aber nicht mit Haftbefehlen belastet im Regen stehen gelassen
werden. Die Landesregierung hat die Fürsorgepflicht, hier Klarschiff
zu machen.

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