Und dennoch gab es allein in Delhi seit der Gewalttat im Dezember 45 weitere Vergewaltigungen (die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen). In der Tat gehört Gewalt gegen Frauen in Indien zum grausamen Alltag: Nach offiziellen Angaben richteten sich 2011 von rund 256.000 registrierten Gewalttaten mehr als 228.000 gegen Frauen. Und dies ist nur der Gipfel des Eisbergs: Die allermeisten Frauen wagen es überhaupt nicht, Anzeige zu erstatten – aus Scham und weil sie überzeugt sind, dass die Täter ohnedies nicht bestraft werden. Gerade Dalit-Frauen, die „Unberührbaren“, haben kaum eine Chance, gehört zu werden. Und was ist mit den „religiös legitimierten“ Vergewaltigungen der Tempeltänzerinnen? Oder den zumindest geduldeten Vergewaltigungen von Frauen durch Soldaten im Nordosten des Landes? Was ist mit der Gewalt, die tagtäglich den Hausangestellten angetan wird? Gegen sexuelle Übergriffe der in der Regel höher gestellten Arbeitgeber können diese Frauen sich nicht wehren. Würden sie es wagen, Anzeige zu erstatten, wem würde man Glauben schenken: der kastenlosen Frau oder dem höher gestellten Hindu? An jedem Tag werden in Indien mindestens drei Dalit-Frauen vergewaltigt. Wo bleibt da der Aufschrei der Nation?