Wer bin und wenn ja wie spül ich? Warum Richard Davids Prechts letzte Stunde schlägt!

Das einzige, was Precht scheinbar tatsächlich beherrscht, ist die Rezeptur des Massengeschmacks, der den kulturellen Duktus einer mittlerweile völlig verprechteten großen Mehrheit widerspiegelt, und so ist es kein Wunder, dass von Hiroshima bis Matrix, über Georg Clooney und Ronaldinho bis Stanislaw Lem und Second Live alles und jeder erfasst oder zitiert wird, dessen Singularität ›Prechts großem Rätselbuch‹ zur Popularität verhelfen könnte.
Kein Wunder also, bei der sechsten Frage: „Was sind Gefühle?“, nun auch Mr. Spock aus der Enterprise herangezogen wird. Doch selbst nach einer schulmeisterlichen Aufzählung aller Neurotransmitter (wir erinnern uns an Oberlehrer Dr. Brett aus der Feuerzangenbowle) bleiben für Precht Gefühle immer noch eine: „[…] schwer zu ergründende Angelegenheit.“ (S.84)
Dass es für Precht auf seine 33 mehr oder weniger philosophischen Fragen keine Antwort gibt und mutmaßlich auch in naher Zukunft keine Antwort geben wird, liegt, jedenfalls seiner Auffassung zufolge, freilich nicht an ihm selbst, sondern daran, dass die meisten Fragen einfach viel zu früh gestellt worden sind.

So gehört beispielsweise nicht nur die siebte Frage: „Was ist mein Unterbewusstsein?“ (hier gibt’s eine Kurzbiographie von Sigmund Freud zu lesen) zu den auf jeden Fall ›zu früh gestellten Fragen‹ in der Geschichte der Menschheit, denn, so Precht: „Die Erforschung der Hirnforschung hat gerade erst begonnen“ (S. 95), sondern auch die achte Frage:
“ Was ist das Gedächtnis?“. Auch für die letztere gilt, nach einer üblichen Kurzbiographie, diesmal von Kandel, dass sie zu früh gestellt und deshalb: „[…] nach wie vor ein Rätsel“ (S. 107) ist.
Auf die neunte Frage beispielsweise: „Was ist Sprache?“, weiß Precht, nach der üblichen Kurzbiographie, diesmal von Wittgenstein, erneut keine bessere Antwort zu bieten als: „Es wurde klar, […] dass wir noch sehr wenig darüber wissen“ (S. 120); bei der Frage:“ Lohnt es sich, gut zu sein?“, steht: „[…] die Forschung […] hier erst am Anfang“ (S. 165) und auch bei der Frage: „Hat die Natur einen Sinn? (Kurzbiographie Paley) stehen wiederum: “Die Debatten […] gerade erst am Anfang“ (S. 299)

Nun, um die Sache abzukürzen, so geht es auf den knapp vierhundert Seiten leidlich weiter und es stellt sich nicht nur hier die Frage nach dem Sinn eines Bucherwerbes von Wer bin ich und wenn ja wie viele , denn mit Recht fragt sich auch selbst der im Schusswaffenhandgebrauch ungeübte Leser, ob es nicht doch besser wäre mit den 15 Euro auf den Jahrmarkt zugehen und mit dem Luftgewehr auf Ziele kürzerer Distanz, beispielsweise auf bunte Papierblumen, zu schießen und es bei der fünfzig zu fünfzig Chance zu belassen.
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