Westdeutsche Zeitung: Angela Merkel darf vor der Atomlobby nicht einknicken – Der Regierung droht ei

Der Bundesregierung droht der Gau. Und das
ausgerechnet wegen der Kernkraft – einem Konflikt, der bis vor kurzem
als weitgehend gesellschaftlich befriedet gelten konnte. Doch die
Gegner formieren sich wieder. Offen fordert die Atomlobby die
Kanzlerin mit einer Öffentlichkeitskampagne heraus, macht Front für
längere Laufzeiten und gegen finanzielle Belastungen. Genauso offen
drohen einige Bundesländer nun unter Führung von Nordrhein-Westfalen
mit einer Verfassungsklage. Und Angela Merkel? Sie legt sich noch
nicht fest, wie so oft.

Der Umgang mit dem sensiblen Thema Atomkraft ist symptomatisch für
den Zustand der Bundesregierung. Den Koalitionären fehlt eine klare
Linie, eine gemeinsame Vision. Statt Ökologie und Ökonomie als zwei
Seiten einer Medaille zu sehen und den Klimaschutz in ein
marktwirtschaftliches Ordnungssystem einzubetten, verschwenden die
Partner ihre Energie mit Streit.

Die einen wollen die durch Brennelementesteuer anvisierten
Milliarden in alternative Energien stecken, die anderen damit den
Haushalt sanieren. Die einen fordern einen freiwilligen Obolus der
Konzerne, wieder andere einen Pflichtbeitrag. Ungelöst auch die
Frage, von wie vielen weiteren Jahren Atomstrom wir sprechen. Von
vier? Eher nicht, denn der als falsch gegeißelte rot-grüne
Ausstiegsbeschluss wird in so kurzer Zeit nicht widerlegt. Fakt ist,
dass Schwarz-Gelb vor der NRW-Wahl die Chance vertan hat, längere
Laufzeiten ohne den Bundesrat durchzusetzen. Das hat sich erledigt.
Sicher ist nur, dass eine Verlängerung keinen Einfluss auf
Strompreise oder Versorgungssicherheit haben wird.

Um dem Geschacher ein Ende zu setzen, täte die Kanzlerin gut
daran, ihrem Umweltminister Norbert Röttgen den Rücken zu stärken und
seinem Ansatz zu folgen, die Atomkraft als „Brücke“ zu nutzen, bis
die erneuerbaren Energien sie verlässlich ersetzen können. Das ist
derzeit noch nicht der Fall. Fatal wäre es aber, Merkel würde vor der
Energiewirtschaft einknicken. Jedes zu große Entgegenkommen wird sie
in den Verdacht bringen, Klientel-Politik zu betreiben. Bis das
Energiekonzept Ende September auf dem Tisch liegt, braucht die
Regierung zumindest keine Opposition. Denn für den heißen Herbst
sorgt sie selbst.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211 / 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de