Westdeutsche Zeitung: Das festgelegte Renteneintrittsalter ist nicht mehr zeitgemäß – Gute Aussichten für die Generation Grau Ein Kommentar von Lothar Leuschen

Der Jugendwahn am Arbeitsmarkt geht zu Ende.
Konnte bis vor wenigen Jahren die Arbeitnehmerschaft „Ü 50“ aus Sicht
der Arbeitgeber gar nicht früh genug in den Ruhestand treten, um
jungen, dynamischen, ehrgeizigen – und billigeren – Kräften Platz zu
machen, setzt nun der Gegentrend ein. Inzwischen suchen die
Personalchefs von Mittelstand und Konzernen händeringend nach
Möglichkeiten, ihre Senioren möglichst über das Renteneintrittsalter
hinaus an das Unternehmen zu binden. Denn die Zahl der jungen
Fachkräfte am Arbeitsmarkt sinkt rapide. Da wäre es doch geradezu
fahrlässig, auf die Dienste der erfahrenen Alten zu verzichten.

Bahn frei also für die Generation Grau? Nein. So leicht lässt sich
der bundesdeutsche Bummelzug nicht umleiten. Erst müssen die
Richtlinien beseitigt werden, die in der Vergangenheit dazu führten,
dass die sogenannten Alten ihre Stellen möglichst schnell für die
Jugend freimachten. Das kann dauern und wird nicht ohne ideologische
Verbalschlachten vonstatten gehen. Auf jeden Fall müssen
Hinzuverdienstgrenzen für Vorruheständler neu überdacht werden. Und
überhaupt taucht die Frage auf, ob das festgelegte
Renteneintrittsalter noch einen Sinn hat.

Die demografische Entwicklung spricht dagegen. Die Menschen werden
älter, erhalten mithin auch viel länger Rente. Diesem Trend können
die Rententräger mit dem heutigen System auf Dauer nicht begegnen.
Deshalb ist es eine gute Idee, die Rentenhöhe grundsätzlich an die
Beitragsjahre zu koppeln und es den Arbeitnehmern zu überlassen, wann
sie in den Ruhestand treten.

Bei aller neu entdeckten Liebe zur älteren Generation dürfen aber
die nicht vergessen werden, die nach Jahren auf dem Bau oder am
Fließband im fortgeschrittenen Alter mangels Belastbarkeit nicht mehr
gefragt sind. Die mögliche Abschaffung des Renteneintrittsalters
könnte als Anfang vom Ende des solidarischen Rentensystems
missgedeutet werden. Das wäre fatal. Schon heute ist die Kritik an
Altersarmut kein Gejammer von Sozialromantikern, sondern in zu vielen
Fällen bittere Realität.

Wenn die Qualität des Lebensabends von Angebot und Nachfrage am
Arbeitsmarkt abhängt, verliert Deutschland etwas, das es immer noch
wohltuend von vielen anderen Industriestaaten unterscheidet.

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