Westdeutsche Zeitung: Das Wahlergebnis hilft weder Griechenland noch ganz Europa = von Martin Vogler

Das Wahlergebnis in Griechenland wird die
weltweiten Ängste bei Politikern, Finanzleuten und Bürgern nicht
zerstreuen. Im Gegenteil. Normale Sparer, die ihr Geld nicht
außerhalb der Euro-Zone anlegen können, werden angesichts des knappen
Resultats noch nervöser. Die G-20-Gruppe wird heute bei ihrem Treffen
verbissen darum kämpfen müssen, dass die Finanzmärkte nicht ins
Trudeln geraten. Sie wird auch Druck auf Kanzlerin Merkel ausüben, in
der Euro-Krise ihren Kurs der Vernunft aufzugeben. Und das alles
wegen des kleinen Griechenlands. Ist das nicht übertrieben? Immerhin
droht das Horrorszenario, dass die Griechen heute ihre kompletten
Ersparnisse nach Hause tragen wollen. Um das zu vermeiden, werden
dann Bankautomaten abgeschaltet und Geldinstitute geschlossen.
Griechenland versänke im Chaos – und würde sich bald vom Euro
verabschieden. Wobei die Frage berechtigt ist, ob das für die
Griechen wirklich schlimm wäre. Sie erhielten eine schwächere
Währung. Sie würden zwar viel Vermögen verlieren, für Importe mehr
bezahlen müssen und etliche Monate oder sogar Jahre wirtschaftlich
stark gebeutelt werden. Doch dann könnte eine Erholung einsetzen,
weil wegen der günstigen Umtauschkurse Urlaub in Hellas genauso wie
griechische Produkte für den Rest Europas konkurrenzlos preiswert
würden. Ansonsten hätte das Ausscheiden aus dem Euro aus deutscher
Sicht vor allem eine emotionale Komponente. Griechenland ist eben das
Ursprungsland abendländischer Kultur und der Demokratie. Viele Ältere
sehen es verklärt, weil sie Hellas in romantischen Jugendjahren als
gastfreundliches Traumland erlebten. Gefährlich wird der
Euro-Ausstieg aus anderen Gründen: Nach dem Abschied würden die
Griechen ihre Schulden nie zurückzahlen. Das wäre bitter für den Rest
Europas, aber finanzierbar. Doch wenn andere Länder, etwa Spanien
oder sogar Italien, sich ebenfalls verabschieden, würde das extrem
teuer. Am Ende bliebe womöglich nur eine Kern-Euro-Zone mit
Deutschland, Frankreich und anderen eher nördlichen Ländern übrig.
Diese stark gebeutelte Rumpf-Gemeinschaft wird sich dann
selbstkritisch fragen, ob es nicht von Anfang an besser gewesen wäre,
unter sich zu bleiben.

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