Westdeutsche Zeitung: Das Wahlprogramm der SPD birgt Chancen und Risiken = von Lothar Leuschen

Die SPD hat es nicht leicht im Jahr der
Bundestagswahl. Die rote Volkspartei dümpelt in den Umfragen unter 30
Prozent. Das reicht im September nach Lage der Dinge nicht, um mit
den Grünen die schwarz-gelbe Koalition abzulösen. Zudem hat sie sich
für einen Kanzlerkandidaten entschieden, der gewisse Risiken birgt.
Peer Steinbrück pflegt das offene Wort bisweilen zu offen. Umso
bemerkenswerter sind die Eckpfeiler des Wahlprogrammes. Dass sich die
SPD soziale Gerechtigkeit auf die Fahne schreibt, hat 150 Jahre
Tradition. Sich aber von Teilen der eigenen, zweifellos erfolgreichen
Geschichte zu distanzieren, ist gefährlich. Genau ein Jahrzehnt nach
der von Rot-Grün verabschiedeten Agenda 2010 bemüht sich die SPD nun
darum, offensichtliche Fehler des Programmes zu korrigieren. Dabei
ist es richtig, auf Verwerfungen hinzuweisen, welche die Agenda mit
sich gebracht hat. Das Anwachsen der Leiharbeit zum Beispiel schlägt
eine Gerechtigkeitslücke in den Arbeitsmarkt. Wo für dieselben
Handgriffe Einkommensunterschiede von bis zu 40 Prozent möglich sind,
erschließt sich vielen nicht mehr der Sinn darin, morgens früh
aufzustehen und an die Werkbank zu gehen. Deshalb ist die sachliche
Diskussion um einen flächendeckenden Mindestlohn nicht nur dringend
geboten, sondern im Programm einer sozialdemokratischen Partei auch
ganz gut aufgehoben. Aber es gibt Mahner in den eigenen Reihen. Allen
voran Altkanzler Gerhard Schröder warnt seine Partei davor, die
Agenda 2010 fortwährend zu bejammern. Denn so sehr die Leiharbeit
Hunderttausenden von Menschen das Leben auch schwermacht, so sicher
ist, dass zig Millionen Menschen der Agenda verdanken, dass
Deutschland selbst den globalen Absturz der Wirtschaft im Jahr 2009
glänzend überstanden hat. Doch die Agenda 2010 ist kalt für jene, die
sie unmittelbar betrifft. Und da die SPD in ihrem Programm mittels
Mietpreisbremse, Mindestlohn und Mindestrente auf soziale Wärme
setzen will, muss sie Schröders Warnung in den Wind schlagen.
Spannend ist daher die Frage, wie Peer Steinbrück die Rückbesinnung
seiner Genossen bewerben wird. Er ist schließlich Wirtschaftsexperte
und Befürworter der Agenda 2010.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
www.wz-newsline.de