Westdeutsche Zeitung: Der Wettbewerb auf dem Strommarkt funktioniert nicht =
Von Christoph Lum

Die Strompreise fallen – nur nicht für die
Verbraucher. Wenn RWE seinen Kunden eine Strompreiserhöhung von 7,3
Prozent zumutet, ist dies durch keine Ausrede zu rechtfertigen. Für
die Kunden bleibt nicht allein die Tatsache als solche ärgerlich, von
ihrem Anbieter ausgenommen zu werden. Empörend ist auch der Versuch
der Konzerne, diese Preispolitik schönzureden. Man muss keine höhere
Mathematik anwenden, um sowohl die diffusen Spiele mit öffentlich
unzugänglichen Zahlen als auch den Verweis auf die gestiegene Umlage
aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz als unglaubwürdig zu entlarven.
Zwar ist diese Umlage tatsächlich geringfügig gestiegen, zugleich
stürzten die Preise für Energie an der Strombörse aber drastisch um
30 bis 40 Prozent ab. Das Dilemma ist: Auf dem deutschen Energiemarkt
bleiben die Gesetze der Marktwirtschaft weitgehend außer Kraft
gesetzt. Mehr als zehn Jahre nach der lautstark verkündeten Öffnung
des Strommarktes ist der Wettbewerb Wunschdenken: Noch immer ist das
System intransparent. Noch immer sind die Versorger nicht dazu
verpflichtet, im vollen Umfang Auskunft über ihre Preiskalkulationen
zu geben. Noch immer ist es den Wettbewerbshütern nicht gelungen, die
verkrusteten Monopolstrukturen der „großen Vier“ Eon, RWE, EnBW und
Vattenfall aufzubrechen. Die Folgen: Nirgendwo in Europa zahlen
Verbraucher so viel für Strom wie in Deutschland; nirgendwo sonst
steigen die Preise über Jahre, obwohl die Börsenkurse für Strom
fallen. Wenn die Konzerne im Jahr 2010 mehr als 80 Prozent des Stroms
liefern und ihre Marktmacht dabei missbrauchen, sollte sich die
Politik in Berlin und Brüssel eingestehen: Die Ende der 90er Jahre
angestrebte Liberalisierung des Energiemarktes ist im Ansatz
steckengeblieben. Was ist zu tun? Erstens müssen die Kartellämter den
Versorgern gründlicher als bisher auf die Finger schauen. Zweitens
muss die EU-Kommission die Macht der Konzerne effektiver als bisher
zurückdrängen – und sollte dies nicht gelingen, diese notfalls
zerschlagen. Drittens können auch die Kunden dem kaum
funktionierenden Wettbewerb auf die Sprünge helfen, indem sie zu
billigeren Anbietern wechseln.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de