Die gegenseitigen Beschimpfungen waren gestern.
Berlin hat seine Kavallerie, die der damalige Finanzminister
Steinbrück ins Feld schicken wollte, zurückgezogen. Auch die
öffentliche Freude des Berner Bundespräsidenten Merz über die Abwahl
Steinbrücks hat sich gelegt. Die Schweiz und Deutschland gehen in
aller Sachlichkeit das aus deutscher Sicht ärgerliche Thema
Steuerflucht an. Und es scheint, als sei eine Lösung in Sicht, bei
der beide Verhandlungspartner ihr Gesicht wahren.
Es darf nicht sein, dass Deutsche ihr Kapital am Fiskus vorbei
gewinnbringend in die Schweiz schaffen, zu Hause aber die Segnungen
des deutschen Steueraufkommens genießen. Das haben die Nachbarn in
der Schweiz wohl eingesehen und sind bereit, diese bislang gut
sprudelnde Einnahmequelle zu drosseln.
Herausgekommen ist offenbar ein Kompromiss, der Rücksicht auf das
in der Schweiz heilige Bankgeheimnis nimmt: Künftig soll für
Neuanlagen eine Abgeltungssteuer nach Deutschland abgeführt werden,
ohne dass die Schweizer Bänker die Namen der Kontoinhaber preisgeben.
In ähnlicher Weise sollen auch die Zuflüsse aus unversteuerten
Alt-Anlagen behandelt werden – von zehn Jahren rückwirkend ist die
Rede. Spekuliert wird, für beide Fälle sei ein Pauschalsatz von 35
Prozent geplant. In Deutschland liegt der Spitzensteuersatz über 40
Prozent.
Kompromisse sind nie Hundert-Prozent-Lösungen.
Bundesfinanzminister Schäuble wird nur zähneknirschend dem neuen
Abkommen zustimmen, das da von seinen Mitarbeitern ausgehandelt wird.
Schäuble ist eher für Kompromisslosigkeit gegen Steuersünder als für
eine Amnestie zweiter Klasse. Auch wie seine Forderung nach künftiger
schweizerischer Amtshilfe bei Steuerhinterziehung unter Wahrung des
Schweizer Bankgeheimnisses umgesetzt werden kann, bedarf noch einer
Erklärung.
Gut ist aber, dass zwei kultivierte Länder im Herzen Europas
gemeinsam gegen Steuer-Straftaten vorgehen. Noch besser wird die
Beziehung, wenn sich am Ende der kriminelle Daten-Diebstahl nicht
mehr lohnt, den bis heute staatliche Stellen bei uns billigend in
Kauf nehmen. Am besten wäre ein einheitliches
Zins-Besteuerungsverfahren in ganz Europa – einschließlich der
Schweiz und Liechtensteins.
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