Westdeutsche Zeitung: Die FDP nutzte das Osterfest zur parteiinternen Abrechnung = von Martin Vogler

Es fällt schwer, die derbe interne Abrechnung,
die sich die FDP zu Ostern gönnte, zu begreifen. Ist das politischer
Selbstmord, Mut der Verzweiflung oder doch so etwas wie eine
Strategie? Auf jeden Fall wirkt die Fast-Selbstzerfleischung vier
Wochen vor der Wahl in Schleswig-Holstein und fünf Wochen vor der in
Nordrhein-Westfalen sehr rätselhaft. Klar ist: Wenn eine Partei
laufend aus Landtagen fliegt und auch bundesweit in Umfragen immer
unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt, liegen die Nerven blank. Doch
hinter der Oster-Abrechnung steckt wohl viel mehr als nur Emotion. Am
Beispiel von drei Akteuren lässt sich das sehr gut erklären. Philipp
Rösler: Sein Auskeilen gegen seinen Vorgänger Guido Westerwelle ist
ohne Niveau. Einschätzung: Er wird, egal was kommt, den Vorsitz
verlieren. Agiert hilflos, ohne gute Strategie. Wolfgang Kubicki: Der
Kieler Spitzenkandidat ist seit Jahrzehnten für – vorsichtig
ausgedrückt – pointierte Aussagen bekannt. Er strampelt für ein gutes
Ergebnis im Norden. Wenn er das Image der Bundes-FDP „kaltherzig,
neoliberal, nicht-mitfühlend“ nennt, ist das eine Distanzierung, die
er sich nur einem sehr schwachen Parteivorsitzenden gegenüber
erlauben kann. Einschätzung: Kubicki fährt extremes Risiko, denn ob
ihm die Wähler bei der Unterscheidung zwischen Berlin und Kiel per
Stimmzettel folgen, ist zweifelhaft. Christian Lindner: Der
FDP-Hoffnungsträger für NRW tut eigentlich nichts anderes als
Kubicki, nur merkt das kaum jemand. Auch er distanziert sich von der
Bundes-FDP, stichelt ironisch gegen Rösler. Als diesem etwa die
unglückliche Formulierung über die „Anschlussverwendung“ der
Schlecker-Mitarbeiterinnen herausgerutscht war, kam von Lindner nur
ein kühles „Ich formuliere anders.“ Einschätzung: Sein Kurs ist nicht
so riskant wie der von Kubicki, weil diplomatischer. Dass beide
Spitzenkandidaten ihre Wege mit großer Distanz zu Berlin gehen, kann
durchaus sinnvoll sein. Rückblende: Schon 2000 hielten Jürgen
Möllemann in NRW und bereits Kubicki in Kiel den damaligen
Parteivorsitzenden Wolfgang Gerhardt von ihren Wahlkämpfen fern. Sie
hatten Erfolg. Und Gerhardt musste kurz darauf das Feld für Guido
Westerwelle räumen.

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