Die Dimension dieser Naturkatastrophe in
Pakistan lässt sich in nüchternen Zahlen kaum fassen: tausende Tote,
14 Millionen Menschen auf der Flucht, Millionen Hektar Ackerflächen,
die vernichtet sind. Als wäre dies allein nicht schon eine
unvorstellbare Herausforderung für die Krisenhelfer, kämpfen in dem
am schlimmsten betroffenen Gebiet auch noch die pakistanische Armee
und Taliban-Rebellen um die Vormachtstellung. Das gefährliche
Machtvakuum dort nutzen die Extremisten nun zu ihren Gunsten aus.
Jetzt rächt sich die Politik der Regierung, die vor den Islamisten
mehr oder weniger kapituliert hat. Trotz der Großoffensive 2009
können die Taliban unbehelligt im überfluteten Swat-Tal operieren.
Hilflos schaut Präsident Zardari zu, wie extremistische Gruppen das
Land mit Anschlägen überziehen und die Gesellschaft zunehmend
radikalisieren. Während die Flut die schwache Regierung überrollt,
spült sie die Taliban nach oben. Von einer demokratischen Regierung
sollte man erwarten, dass sie alle Ressourcen mobilisiert, um den
Notleidenden zu helfen. Doch Zardari konnte sich nur schwer dazu
durchringen, seine Europatour abzubrechen. Der Zorn der Bevölkerung
kommt den Terrororganisationen zugute, die sich seit langem eigene
Wohlfahrtsorganisationen halten. Weil Islamabad keinen
Katastrophenplan hat, springen diese in die Versorgungsbresche, denn
sie wissen: Wer trauert, hungert und alles verloren hat, erliegt
schnell den Parolen und Versprechungen der Islamisten. Diese Methode
funktionierte schon beim verheerenden Erdbeben 2005. Auch damals
wurden Hilfsgüter und politische Botschaften quasi im Gesamtpaket
verteilt. Letztlich untermauern die Gotteskrieger mit ihrer zynischen
Aufforderung an die Regierung, die notwendige Hilfe aus dem Ausland
auszuschlagen, ihren eigenen Machtanspruch. Eine Destabilisierung des
fragilen Atomstaates hätte aber mit Blick auf die Lage im
benachbarten Afghanistan oder in Indien unkalkulierbare Folgen.
Deswegen führt an einer effektiven Hilfe des Westens kein Weg vorbei.
Die Islamisten sind dabei, die Herzen und Köpfe der Menschen zu
gewinnen, die Zardari verloren hat. Es ist ein Wettlauf gegen Flut,
Elend und Zerstörung, aber auch ein Wettlauf gegen die Taliban.
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