Westdeutsche Zeitung: Die Grünen gehen in Wahlumfragen auf Talfahrt – Auf Gedeih und Verderb mit der SPD Ein Kommentar von Lothar Leuschen

Eine Umfrage ist noch keine Wahl. Dennoch
versetzen die jüngsten Erkenntnisse der Demoskopen die Grünen in
helle Aufregung. Die Partei um die Spitzenkandidaten Katrin
Göring-Eckardt und Jürgen Trittin träumte vor einigen Wochen noch von
15 und mehr Prozent, von einer Koalition mit der SPD und sicher auch
von noch bedeutenderen Ministerien als in der Regierung Schröder.
Mittlerweile sagt eine Umfrage den Grünen keine zehn Prozent mehr
voraus. Das wären noch weniger als bei der Bundestagswahl vor vier
Jahren, als 10,7 Prozent der Wähler der Ökopartei ihre Stimmen gaben.

„Ökopartei“ – das ist ein Hauptproblem der Grünen. Sie ist in der
öffentlichen Wahrnehmung über diesen Status seit ihrer Gründung1980
nicht hinausgekommen. Dabei gibt die Partei heute längst Antworten
auf alle gesellschaftlichen Fragen. Aber die Drängendste beantwortete
vor zwei Jahren die konservative Kanzlerin Angela Merkel, als sie den
Ausstieg aus der Atomkraft verkündete. Seither versuchen die
Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir, das Profil der
Grünen neu zu schärfen. Linker soll sie werden und die SPD gleich
mitziehen. Beides ist gelungen. Aber die Wähler mögen dem anscheinend
nicht folgen. Steuererhöhung für Reiche ist als Kernpunkt zu wenig
Programm in einer Gesellschaft, in der es den meisten Menschen auch
mit den aktuellen Steuersätzen glücklicherweise gut geht. Außerdem
ist die Neiddebatte schon von der Linkspartei besetzt, die in der
Gunst nun an den Grünen vorbeizieht.

Zu all dem Übel passt die Veggie-Day-Idee. Sie steht jetzt
mindestens bis zum Wahltag in der politischen Landschaft und gibt der
FDP Rückenwind, die schon immer vor der vermeintlichen
Bevormundungspolitik der Grünen gewarnt hat.

Gerade diese FDP hätten die Grünen ergänzen können als
bürgerlich-soziale Koalitionsalternative für zwei Volksparteien. Sie
haben anders entschieden. Mit ihrem Auf-Gedeih-und-Verderb-Bekenntnis
zur SPD und nicht zuletzt mit dem absurden Veggie-Day-Plan
katapultierten sie sich aus ihrem Hoch.

Umfragen sind keine Wahl. Aber es scheint, als sollten die Grünen
am 22. September Lehrgeld zahlen müssen.

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