Westdeutsche Zeitung: Die Personalien der SPD sind zu früh bekannt geworden = von Martin Vogler

Erst gab es Gerüchte, dann sogar Bestätigungen
aus der SPD: Die sechs Minister, die die Genossen in der großen
Koalition stellen dürfen, sind bekannt. Chef Sigmar Gabriel kann über
die Indiskretion nicht glücklich sein, weil er – genau wie die Union
– erst am Wochenende die Karten auf den Tisch legen wollte. Doch
offenbar gab es, nachdem die künftigen Kabinettsmitglieder informiert
waren, zu viele Mitwisser. Aus Geltungssucht, oder vielleicht aus
Kalkül, hat mindestens einer geplaudert. Positiv betrachtet: Immerhin
hat er gewartet, bis die Stimmabgabe zum Mitgliederentscheid beendet
war. Aus der SPD-Liste lässt sich eine gute Nachricht herauslesen,
die gar nicht die Genossen selbst betrifft: Wolfgang Schäuble bleibt
Finanzminister. Er kann seine selbst für die Kanzlerin nicht immer
bequeme Politik fortsetzen. Damit ist garantiert, dass der Bund
weiterhin halbwegs vernünftig wirtschaftet. Ebenfalls direkte
Auswirkungen auf die Union hat die überraschende Besetzung des
Umweltministeriums durch die bisherige Schatzmeisterin Barbara
Hendricks. Das bedeutet, dass der engagierte, aber etwas unglücklich
agierende Peter Altmaier seinen bisherigen Job verliert. Die CDU wird
ihn anderweitig unterbringen. Die größte Überraschung ist jedoch
Heiko Maas als künftiger Justizminister. Der Chef der saarländischen
SPD hat endlich den Sprung aus der Provinz in die Bundespolitik
geschafft. Das ist dem Juristen vor allem deshalb zu gönnen, weil er
stets mit gutem Fachwissen und klaren Aussagen überzeugt. Als
Justizminister fällt sein wenig ausgeprägtes Charisma weniger ins
Gewicht – genauso wie seine gescheiterten Versuche, Ministerpräsident
zu werden. All diese Personalien stehen unter Vorbehalt. Denn heute
kann sich herausstellen, dass die SPD-Mitglieder den
Koalitionsvertrag ablehnen. Nicht nur die sechs Möchte-Gern-Minister
wären blamiert, auch die gesamte Parteispitze wäre zur Demontage
frei. Trotz aller demonstrativer Zuversicht der SPD: Spekulationen,
dass die hohe Beteiligung bei der Abstimmung ein Indiz für ein
deutliches Ja ist, können zutreffen. Aber es gibt keine Garantie. Das
Bekanntwerden der Namen ist ein hohes Risiko für die SPD.

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