Westdeutsche Zeitung: Die Rolle des Bundespräsidenten nach Wulffs Abgang – Finger weg von der Direktwahl Ein Kommentar von Martin Vogler

Wulff wünschte sich seinen Zapfenstreich. Er
hat ihn bekommen. Mit vier Musikstücken, unangebrachtem Lärm aus
Vuvuzelas und einer arg geschrumpften Gästeliste. Man kann die
Meinung vertreten, er hätte besser auf diesen Festakt verzichtet.
Doch das ist zweitrangig. Es kommt darauf an, dass die Ära Wulff an
der Spitze des Staates jetzt zu Ende ist und das Amt nicht weiter
beschädigt wird.

Der Blick muss in die Zukunft gehen. Deshalb sollte das Thema
Ehrensold bald vernünftig geregelt werden – nach folgenden Kriterien:
Ein Ex-Präsident sollte durchaus vernünftig alimentiert werden. Das
würde schon die Peinlichkeit ersparen, dass er als bezahlter
Festredner zu zweit- und drittklassigen Veranstaltungen durchs Land
tingelt. Ob – egal wie man den Ehrensold künftig benennt – das Geld
wie bei Wulff schon lange vor dem Rentenalter fließt und ob wirklich
bis zum Lebensende Büro und Fahrer mit Auto zur Verfügung stehen
müssen, sollte sehr kritisch hinterfragt werden.

Weniger eindeutig ist die Situation bei der Forderung, künftig den
Präsidenten direkt vom Volk wählen zu lassen. Wohl unter dem Eindruck
der Diskussion um Christian Wulff scheinen vier von fünf Deutschen
diese Idee prima zu finden. Auf den ersten Blick spricht auch einiges
dafür: Das Staatsoberhaupt wäre nicht mehr so stark von Parteien
abhängig. Im konkreten Fall wäre es wahrscheinlich Kanzlerin Angela
Merkel nicht gelungen, Wulff in dieses Amt zu hieven. Auch könnte
sich der Amtsinhaber sicher sein, dass ihm wirklich die Sympathie der
Mehrheit gehört – und es keinen Schattenmann als Präsident der Herzen
gibt. Vielleicht hätten auch Seiteneinsteiger, die nicht aus dem
Politikbetrieb stammen und dennoch dem Amt gewachsen sind, bessere
Chancen.

Doch trotz aller Vorteile einer Direktwahl hat die Idee gewaltige
Tücken. Neben den Kosten solch einer Volksabstimmung gilt es vor
allem zu bedenken, dass wir dann einen echten Wahlkampf erleben
dürften, statt der bisherigen harmlosen Kennenlern-Runden bei den
Mitgliedern der Bundesversammlung. Der Gedanke, das künftige
Oberhaupt würde in Mehrzweckhallen im Bierdunst für sich und seine
Visionen werben müssen, ist nicht erträglich. Allein diese
Vorstellung genügt als Gegenargument.

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