Westdeutsche Zeitung: Die Wahl in Griechenland führt Europa ins Chaos = von Annette Ludwig

Nach den Wahlen ist das Chaos in Griechenland
perfekt. Der linksradikale Politiker Alexis Tsipras will alle
Sparpakete mit der Euro-Zone aufkündigen, eine stabile Regierung ist
noch nicht in Sicht, schon ist von Neuwahlen die Rede. Und just in
dieser unübersichtlichen Situation überweist Europa gestern noch eine
Finanzspritze von 4,2 Milliarden Euro nach Athen. Nicht wenige Bürger
im restlichen Euro-Raum fragen sich inzwischen, wie lange das
griechische Fass ohne Boden noch aus Steuermitteln gefüllt werden
soll. Allein Deutschland muss schon jetzt 68 Milliarden Euro
Gewährleistung für Griechenland stemmen. Mit der Zuspitzung der Krise
wird daher reflexartig der Ruf nach einem Rauswurf der Griechen aus
der Euro-Zone lauter. Verständlich? Ja. Vernünftig? Das ist die
Frage. Rein rechtlich können die Euro-Länder Griechenland gar nicht
ausschließen. Vielmehr müsste Athen den ersten Schritt wagen. Zudem
birgt dieses Ausstiegs-Szenario ein enormes Risiko. Eine seriöse
Prognose zu den Folgen ist im Grunde nicht möglich. Zwar haben die
Märkte, aber auch die Politik, einen solchen – bislang undenkbaren –
Schritt inzwischen auch mit auf der Rechnung. Doch angesichts der
sich verschärfenden Lage in Spanien wäre eine Kettenreaktion bis hin
zum Auseinanderbrechen der Euro-Zone nicht auszuschließen. Ein stures
„Weiter so!“ kann und darf sich Europa aber auch nicht leisten. Zwei
Jahre lang hält die Krise die Währungsunion nun schon in Atem,
Milliarden sind geflossen, harte Sparvorgaben gemacht worden. Die
Lage in Griechenland hat sich damit nicht verbessert. Im Gegenteil:
Die Arbeitslosigkeit etwa liegt inzwischen bei knapp 22 Prozent.
Viele Griechen sehen keine Perspektive mehr und lassen sich daher
leicht von radikalen Politikern wie Alexis Tsipras einfangen.
Versprechungen, dass ein Euro-Ausstieg Athen aus der Krise führt,
klingen verlockend – und sind doch so falsch: Eine Rückkehr zur
Drachme würde das Land tiefer ins Chaos stürzen. Für die Griechen
gibt es keinen leichten Weg aus der Krise: weder mit noch ohne Euro.
So lange aber nicht klar ist, für welchen Weg sich Athen entscheidet,
sollten die europäischen Partner darüber nachdenken, die
Hilfszahlungen auszusetzen.

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