Westdeutsche Zeitung: Es geht um viel mehr als die Heimunterbringung – Das Thema Pflege betrifft jeden Ein Kommentar von Martin Vogler

Egal, ob zu Hause oder im Heim: Die Zahl der
Menschen, die Pflege benötigen, steigt rasant. Dank höherer
Lebenserwartung und dem medizinischen Fortschritt werden wir immer
älter, sind aber trotzdem oder gerade deshalb nicht davor gefeit,
etwa wegen Demenz zum Pflegefall zu werden. In Zahlen ausgedrückt
wird das sehr deutlich. Heute benötigen bereits 2,5 Millionen
Menschen in Deutschland Pflege, in einigen Jahrzehnten sollen es fast
doppelt so viele sein. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Erwerbstätigen
– und damit der finanzielle Spielraum und fatalerweise auch das
Potenzial an Arbeitskräften in der Pflege.

Insofern beschreibt die Frage, ob stationäre oder ambulante
Betreuung besser ist, nur einen kleinen Teil des Problems. Für die
betroffenen Menschen allerdings einen Wichtigen. Denn natürlich ist
es für jeden erstrebenswert, so lange wie möglich in der gewohnten
Umgebung zu bleiben. Doch bei aller Angst vor den Heimen, bei denen
es sicherlich große Qualitätsunterschiede gibt, ist es eine froh
stimmende Erkenntnis der gestern vorgestellten Studie, dass sich bei
einer Unterbringung im Heim die Stimmung zum Positiven wandelt. Viele
Angehörige sind dann wegen des Wissens um die professionelle
Rundumversorgung erleichtert – und auch die zu Pflegenden können nach
einiger Zeit dem Heim viel Positives abgewinnen.

Unsere Gesellschaft und die Politik müssen das Thema allerdings
weiterdrehen. Die Idee etwa, dank neuer Wohnformen, – zum Beispiel
einer „Alten-WG“ – trotz sich auflösender familiärer Strukturen auch
im Alter glücklich und selbstbestimmt zu leben, dürfte für viele
reizvoll sein. Die Pflegeberufe sollten an Ansehen in der
Gesellschaft gewinnen, um ausreichend qualifizierte Bewerber zu
finden. Wobei es nicht allein ums Image, sondern auch um die Höhe der
Gehälter geht. Was andererseits bedeutet, dass die Kosten steigen –
sei es bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung oder bei
individuellen Zahlungen.

Die Bevölkerung scheint bereit zu sein, wegen steigender
Pflegekosten auch höhere Belastungen zu verkraften. Das ist gut. Denn
es geht bei diesem Thema primär nicht ums Geld, sondern um Menschen.
Und irgendwann kann es jeden selbst betreffen.

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