Westdeutsche Zeitung: Fotos von Kfz an niederländischen Grenzübergängen – Niederlande beschädigen die Reisefreiheit Ein Kommentar von Peter Kurz

Ein Europa der offenen Grenzen – das ist eine
großartige Idee, von der wir alle profitieren, wenn wir europaweit
ohne Pass reisen. Welch eine Errungenschaft die Reisefreiheit ist,
kann im vollen Ausmaß wohl nur ermessen, wer es anders kennt. Wer
noch Stacheldraht und grimmige, oft willkürliche Grenzbeamte erlebt
hat. Und nun wollen die Niederlande an Grenzübergängen ankommende
Autos fotografieren. Im Kampf gegen Menschenhandel und illegale
Einwanderung. Das klingt gut. Es geht ja gegen die Bösen und
Illegalen. Und wenn man die schnappt, ist doch nichts dagegen
einzuwenden, oder?

Doch betroffen sind auch alle „Guten“, wenn jedes Auto abgelichtet
wird, das über die niederländische Grenze rollt. Zwar erlaubt das
Schengener Abkommen begrenzte Kontrollen, etwa um
Hooligan-Ausschreitungen vorzubeugen. Aber nur vorübergehend und
nicht ständig und systematisch, denn das passt nicht zur Idee der
Freizügigkeit. Es ist nicht nur eine Angelegenheit der Niederländer.
Die Sache geht alle Bürger an, die die gewonnene Freizügigkeit nicht
nach ein paar Jahren schon wieder verlieren wollen.

Aber es sind doch nur Fotos von Autos oder Kfz-Kennzeichen, ließe
sich einwenden. Nur Fotos? Viel mehr als das. Es ist eine
Einschüchterung all derer, die nicht wissen, was mit diesen Fotos
geschieht. Was zeigen sie? Nur das Kennzeichen, oder auch die
Personen, die da über die Grenze fahren? Wo werden die Bilder wie
lange gespeichert? Für was werden sie in Zukunft verwendet – für ein
Bewegungsprofil? Werden die Informationen mit anderen Daten
verknüpft? Selbst wenn die Kameras ganz offen eingesetzt werden, so
bleiben doch eben diese Fragen.

Nun ließe sich zugunsten des niederländischen Plans anführen: das
Kfz-Kennzeichen ist eine für jedermann im Straßenverkehr sichtbare
Information. Und wer sich mit dem Auto in den Verkehr begibt, ist der
öffentlichen Wahrnehmung ausgesetzt. Der Wahrnehmung ja, aber noch
lange nicht der für den Autofahrer unkontrollierbaren automatisierten
Informationserhebung und -verarbeitung. Diese konterkariert die Idee
der Reisefreiheit. Weil wir nicht mehr unbefangen ins Nachbarland
fahren würden. Wir hätten wieder Grenzen statt Linien auf der
Landkarte.

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