Westdeutsche Zeitung: Geldsorgen als Wahlkampfthema Ein Kommentar von Horst Kuhnes

Die allermeisten Städte und Gemeinden in
Deutschland haben Schulden. Sehr viele Schulden sogar. Und bundesweit
am tiefsten in der Kreide stehen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen.
Das weiß man nicht erst seit heute, sondern bereits seit Jahren.

Wenn jetzt vor allem die SPD-Oberbürgermeister im besonders
notleidenden Ruhrgebiet den Schulden-Notstand ausrufen und von den
milliardenschweren Transferleistungen für den Osten einen Teil
abhaben wollen, dann kann das letztlich nicht überraschen. Denn der
Zeitpunkt für den Notruf ist in gleich mehrfacher Hinsicht gut
gewählt: Er folgt relativ schnell auf eine erst Ende Februar bekannt
gewordene Studie des Bundesinnenministeriums über den Stand des
Aufbaus Ost – die den Nutzen einer Fortführung des Solidarpaktes
bereits teilweise in Frage gestellt hatte.

Zudem kommt das Thema den Wahlkämpfern in den jeweiligen
NRW-Städten gelegen: Sie können erneut auf ihre Probleme aufmerksam
machen und die künftige Landesregierung unter Druck setzen, im
Bundesrat eine entsprechende Initiative zur Abschaffung des
Solidarpaktes bereits vor 2019 zu starten.

Und auch SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft dürfte das Thema
nicht unangenehm sein: Sie kann sich problemlos
öffentlichkeitswirksam auf die Seite der Kommunen schlagen. „Jetzt
ist der Westen dran“, lässt sich leicht fordern, wenn man die
Amtsgeschäfte als Ministerpräsidentin nur noch kommissarisch führt
und konkretes politisches Handeln auf einen späteren Zeitpunkt
verschieben kann. Denn auch Hannelore Kraft weiß, dass der letztlich
vom Grundgesetz garantierte Solidarpakt bis 2019 politisch kaum zu
kippen ist.

Dennoch haben die NRW-Kommunen grundsätzlich Recht: Eine Reform
des Solidarpaktes ist notwendig. Nicht jede Stadt im Westen kann noch
geben – und nicht jede Region im Osten muss noch nehmen. Nicht mehr
die Himmelsrichtung muss künftig das Kriterium für
Ausgleichszahlungen sein, sondern der tatsächliche Bedarf. Und diese
Reform sollte noch vor 2019 erfolgen. Denn weitere sieben Jahre
Solidarpakt widersprächen dessen ursprünglichem Sinn: Die marode
Ost-Infrastruktur sollte auf West-Niveau gebracht werden – und nicht
die West-Infrastruktur auf DDR-Niveau.

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