Westdeutsche Zeitung: Pisa-Test – Längst nicht nur eine Aufgabe der Lehrer Ein Kommentar von Peter Kurz

Ihr lernt nicht für die Schule, sondern fürs
Leben – so wird es Schülern schon immer gesagt. Und schon immer
zweifeln diese angesichts des oft wirklichkeitsfernen Lernstoffs an
der Ernsthaftigkeit dieses Hinweises. Dass die Schule gerade nicht
besonders effektiv aufs Leben vorbereitet, scheint der neueste
Pisatest zu bestätigen. Das Ergebnis ist aktuell wie vor 2000 Jahren.
Denn da hat der zitierte Rat seinen Ursprung. Der römische Denker
Seneca meinte ihn nämlich gerade umgekehrt: „Nicht fürs Leben,
sondern für die Schule lernen wir“, kritisierte er schon damals die
Bildungsinstitutionen.

Welche Fähigkeiten zu Senecas Zeiten im richtigen Leben gefragt
waren, muss uns nicht interessieren. Um den Kauf einer Fahrkarte am
Automaten oder das Einstellen eines Mp3-Players ging es jedenfalls
nicht. Doch dass das strukturelle Problem immer noch das gleiche ist,
muss schon frustrieren. Dabei dürften die Auswirkungen in der
heutigen, sich rasant ändernden Welt noch stärker sein.
Anpassungsfähigkeit, der Mut zu improvisieren, Fehler zu machen und
daraus zu lernen, sind unverzichtbar. Phantasie ist wichtiger als
Wissen. Das hat einer gesagt, der nun wirklich viel wusste: Albert
Einstein.

Es wäre zu einfach, die bei vielen Schülern offenbar bestehenden
Kreativitätsdefizite wieder einmal – formuliert in einer Anklage –
bei den Lehrern abzuladen. Diese sind angesichts der um ein Jahr
verkürzten Gymnasialzeit doch ebenso die Gejagten wie die Schüler,
denen der Lernstoff umso komprimierter eingetrichtert wird. Und dabei
gibt es sie ja trotzdem noch, die Extra-Schippe, die engagierte
Lehrer und Schulleiter drauflegen. Wenn sie etwa bei Infoabenden
Eltern über Gefahren aufklären, denen ihre Kinder im Internet
ausgesetzt sind. Natürlich ließe sich immer noch mehr denken:
Kompetenz in Geld- und Wirtschaftsfragen zu vermitteln, etwa – gerade
darauf kommt es im richtigen Leben an. Vereinzelt gibt es auch hier
durchaus Engagement. Doch darauf allein sollten sich Eltern nicht
verlassen. Mindestens in gleichem Maße wie die Lehrer sind sie in der
Pflicht, dem Nachwuchs anschaulich klarzumachen, dass das richtige
Leben huckeliger ist als die glatte Oberfläche eines
Tablet-Computers.

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