Westdeutsche Zeitung: Trostpflaster Pflege-Tüv = Von Wibke Busch

Die Kritik am Pflege-Tüv ist so alt wie der
Pflege-Tüv selbst. Seit 2009 soll er den Betroffenen und ihren
Angehörigen ein Leitfaden sein, um ein gutes Heim zu finden. Nun –
nach dreijährigen Beratungen – wird er endlich reformiert. Bessern
wird sich aber nicht viel.

Dabei steht hinter den Schulnoten für Heime durchaus eine positive
Entwicklung. Seit der 2008 in Kraft getretenen Pflegereform müssen
sich alle Heime in Deutschland ein Mal im Jahr einer unangemeldeten
Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
stellen. Die Ergebnisse münden in der Benotung, die veröffentlicht
wird – dem sogenannten Pflege-Tüv. Auf den ersten Blick ein guter
Service für alle, die vor der schwierigen Entscheidung stehen, ein
Heim auswählen zu müssen.

Doch der Teufel steckte von Anfang an im Detail. Denn im Wust der
insgesamt 82 Bewertungskriterien finden sich so wichtige wie
Vorsorgemaßnahmen gegen das Wundliegen von Patienten. Aber eben auch
der Speiseplan und dessen Veröffentlichung oder die Durchführung
„jahreszeitlicher Feste“. Und zwar alle gleichwertig. Somit können
schlechte Heime gute Noten erhalten, weil sie in weniger wichtigen
Bereichen richtig gut sind. Oder zugespitzt gesagt: weil sie leckeren
Pudding kochen, während Pflegebedürftige an Flüssigkeitsmangel und
Druckgeschwüren leiden.

Nach allem, was bislang bekannt ist, wird sich daran nichts
ändern. Der Pflege-Tüv bleibt eine Art Trostpflaster, das die Mängel
in der Pflege überdecken soll. Keine gute Nachricht für
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Denn es gibt sie zwar, die
richtig guten Einrichtungen mit angemessener Personalausstattung,
guter medizinischer Versorgung und liebevoller Betreuung. Aber es
gibt auch die Schwarzen Schafe, die sich mit guten Noten schmücken
können.

Den Betroffenen bleibt daher nur, den Heimen selbst auf den Zahn
zu fühlen. Das heißt: hingehen, hinschauen, nachfragen, den gesunden
Menschenverstand einsetzen. Und sie müssen darauf hoffen, dass die
Politik sich endlich zu der notwendigen großen Reform des Systems
aufmacht, die eine flächendeckend gute und menschenwürdige Pflege
ermöglicht.

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